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WetterBlog 9 2017/18 | Leguanhagel und gekochtes Fledermaushirn

Extremwetter weltweit

von Lea Hartl • 09.01.2018
Föhnmauer am Hauptkamm, Sonne im Norden

Föhnmauer am Hauptkamm, Sonne im Norden

LH
Es kommt nicht oft vor, dass internationale Wettermeldungen die Abendnachrichten dominieren. Wenn doch, ist meist sonst nicht viel passiert, oder das Wetter greift massiv in den Alltag vieler Leute ein, beispielsweise in Form von Temperaturextremen wie zuletzt im Osten der USA und in Australien, oder Schneemassen wie derzeit in den Westalpen.

Wenn man von Extremen irgendeiner Art spricht, bezieht man sich damit implizit immer auch auf ein bestimmtes Verständnis von Normalität, dem eben in diesem Fall nicht entsprochen wird. Beim Wetter orientiert man sich dabei an Messwerten aus der Vergangenheit. Angenommen man hat an Ort X seit 100 Jahren jeden Tag die Maximaltemperatur gemessen und aufgezeichnet, so hat man 365 x 100 Datenpunkte (Schaltjahre ignorieren wir ausnahmsweise), beziehungsweise für jeden Tag des Jahres 100 Vergleichswerte. Man kann also die Maximaltemperatur des 10. Januar mit der Maximaltemperatur von 99 anderen 10. Januaren vergleichen. Wenn man zählt, wie oft eine bestimmte Maximaltemperatur in den letzten 100 Jahren am 10 Januar vorkam, wird man feststellen, dass die meisten 10. Januare mit ein paar Grad Schwankungsbreite gleich temperiert sind. In einigen Jahren war der 10. Januar aber kälter oder wärmer als die Temperaturspanne, die von dieser Schwankungsbreite abgedeckt wird. Je weniger häufig eine bestimmte Temperatur vorkommt, desto weiter begibt man sich in die Außenbereiche der Gaußschen Glockenkurve, die unsere normalverteilten Temperaturen beschreibt. Sowas gab es irgendwann mal im Mathematikunterricht.

Bei Wetterfragen orientiert man sich bezüglich extremen Ereignissen genau an dieser Kurve. Wenn die Temperatur in einem von 100 Jahren am 10. Januar unter einen bestimmten Wert liegt, spricht man gern von einem "Jahrhundertereignis", wobei betont werden sollte, dass solche Einschätzungen schwer zu treffen sind, wenn nur 100 Jahre an Daten zur Verfügung stehen. Besser wäre: ein 100-jähriges Ereignis ist jene Maximaltemperatur, die in den letzten 1000 Jahren am 10. Januar nur 9-mal übertroffen wurde. 

Die Glockenkurve geht nach außen hin nur seeeehr langsam gegen Null, das heißt sie gibt solchen und noch selteneren Ereignissen Raum. In diesem Bereich der seltenen bis so gut wie nie zu erwartenden Ereignisse bewegen sich viele Risikoabschätzungen, wie sie etwa für Gefahrenzonenpläne oder von Versicherungen und den großen Rückversicherern betrieben werden.

Aktuelle Lage

Abgesehen von der schnöden Stochastik sind auch Schlagzeilen wie „Lizard blizzard: iguanas rain from trees“ und „Hundreds of boiled bats fall from sky“ gute Indizien für Extremwetter. Und samit spannen wir den Bogen zum aktuellen Wetter!

Die gekochten Fledermäuse fielen einer Hitzewelle in Australien zum Opfer. In Sydney wurde am 6. Januar eine Temperatur von über 47°C gemessen (zur Erinnerung: in Sydney ist zur Zeit Sommer). Ähnlich heiß war es zuletzt 1939. Man könnte also behaupten, kochende Fledermaushirne in Australien sind ungefähr ein 80-jähriges Ereignis, wobei wie bereits erwähnt eigentlich eine bessere Datengrundlage von Nöten wäre, um das definitiv festzustellen. 

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In Florida hingegen regnete es Leguane (bzw. hagelte, Leguane zählen zu den festen Niederschlagsarten), da Kaltblüter bei tiefen Temperaturen träge werden und in für sie und etwaige Passanten ungünstiger Weise aus den Bäumen fallen, in denen sie sich sonst gern aufhalten. Im Gegensatz zu den Fledermäusen erholen sie sich wieder, wenn die Kälte nicht zu lang andauert und sie nicht vorher von einem Golfkart überfahren werden.

Die Kältewelle im Osten der USA und Kanadas hält schon eine Weile an. In den vergangenen Tagen kam noch ein kräftiger Nor'easter dazu, der es nicht nur in den großen, nördlicheren Küstenstädten kräftig schneien ließ und dort den Verkehr zum Erliegen brachte, sondern auch in Florida eine beeindruckende Schneedecke von 0,25 cm produzierte und vorallem die Leguane zum Erliegen brachte. Zuletzt schneite es dort vor 29 Jahren, Schnee in Florida ist somit ein ungefähr 30-jähriges Ereignis. Leguanhagel kommt hingegen erstaunlich oft vor und ist eher ein 5-jähriges Wetterphänomen. (Leguane sind in Florida unerwünschte, illegale Einwanderer, die eigentlich aus noch wärmeren Gebieten in Süd- und Mittelamerika stammen und mit den harten Wintern Floridas schlecht klar kommen.) Die große Kälte in Amerika geht dem Ende zu, was vermutlich nicht nur die Leguane erfreut.

Für die ebenfalls durchaus beeindruckende Schneesituation in den West- und Südalpen, sowie auf der Iberischen Halbinsel, sind folgende Druckgebilde verantwortlich: Ein Hoch über Osteuropa und Skandinavien blockiert seit einigen Tagen die, durch die Nordamerikanische Kaltluft angetriebene, Westdrift und Atlantische Tiefs müssen ausweichen bzw. kommen nicht weiter. Das aktuelle Tief dieser Art hängt hauptsächlich vor den Britischen Inseln, hat es aber geschafft einen kleinen Ausläufer bis nach Spanien zu schicken. Dort gibt es keine Reptilienproblematik, aber Schneechaos auf den Zubringerautobahnen von Madrid.

Leguanhagel kommt häufiger vor als gekochtes Fledermaushirn. (Schematische Darstellung)

Leguanhagel kommt häufiger vor als gekochtes Fledermaushirn. (Schematische Darstellung)

Bilder: Wikipedia

Der Spanische Tiefausläufer kann sich dank des warmen Mittelmeers mit Feuchtigkeit und, da bis weit in den Süden reichend, auch mit Saharastaub anreichern. Die Feuchtigkeit wurde in Form von massiven Schneefällen in den West- und Südalpen abgeladen. Auch hier sorgt das Wetter für Probleme (und Skifahrer Hype und virale Videos von Leuten, die ihr komplett im Schnee versunkenes Auto ausgraben müssen). Zermatt ist per Straße nicht mehr zu erreichen, die 13.000 eingeschlossenen Urlauber werden mit gratis Käsefondue bei Laune gehalten. Auch Saas-Fee ist derzeit noch abgeschnitten, ebenso wie Breuil-Cervinia und einige kleinere Gemeinden in der Schweiz und im Französisch-Italienischen Grenzgebiet. In Sestriere schaffte es eine Lawine ins Treppenhaus eines Apartmentgebäudes, verletzt wurde dabei niemand. Die Lawinengefahr bewegte sich in den am stärksten betroffenen Gebieten in den letzten Tagen zwischen 4 und 5 und bleibt weiterhin sehr angespannt.

In den Nord- und Ostalpen zeigte sich ein komplett anderes Bild: föhnig warmes T-shirt Wetter mit nur kleineren Unterbrechungen durch Regenschauer und fernes Donnergrollen. Wintergewitter, im Hochwinter sehr selten, waren vor allem gestern in Richtung Hauptkamm vielerorts zu beobachten.

Aussichten

Am heutigen Mittwoch schläft das allgemeine Chaos relativ unspektakulär ein. Die Westalpen können anfangen, ihre Straßen auszugraben und die Nord- und Ostalpen müssen sich langsam wieder einen Pullover anziehen. Der Spanische Tiefausläufer driftet nach Osten ins Mittelmeer ab und dümpelt dort sehr gradientschwach einige Tage herum. Dadurch wird der Föhn abgedreht und es wird kälter. Das relativ sonnige, relativ unspannende Wetter begleitet uns nun eine Weile. In den Niederungen gibt es gern mal Nebel, auf den Bergen bleibt es bis inklusive Wochenende recht aufgelockert mit kurzer Unterbrechung und unergiebigem Schneefall im Norden am morgigen Donnerstag.

Weit in der Zukunft (Mitte nächster Woche) der Modellglaskugel deutet sich eine mögliche Umstellung der Großwetterlage von „komischem, halbgarem Sumpf“ auf Nordwest an. Das Azorenhoch drängt nach Norden, das Islandtief muss weichen. Mit dieser Konstellation bekämen die Alpen eine feuchte, kühle NW-Strömung. Man darf gespannt sein und sich bis dahin mit gebotener Vorsicht am Schneereichtum im Westen erfreuen.

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