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TourenTipps

TourenTipp | Dofourspitze

Auf den höchsten Berg der Schweiz

21.10.2008 von Tobias Kurzeder
Der 4634 m hohe Monte Rosa ist der mächtigste Berg der Alpen. Obwohl der Mont Blanc mehr als 150 m höher ist, wird er an Masse und Größe vom Monte Rosa übertrumpft. Auch der Aufstieg mit dem luftigen Gipfelgrad gilt als deutlich anspruchsvoller als der Mont-Blanc-Normalweg.

Der 4634 m hohe Monte Rosa ist der mächtigste Berg der Alpen. Obwohl der Mont Blanc mehr als 150 m höher ist, wird er an Masse und Größe vom Monte Rosa übertrumpft. Auch der Aufstieg mit dem luftigen Gipfelgrad gilt als deutlich anspruchsvoller als der Mont-Blanc-Normalweg.

Die Tourenbeschreibung im Führer (SAC-Führer "Skitouren Oberwallis") klingt spannend und das Wetter ist perfekt, sogar Neuschnee ist nochmals gefallen. In aller Frühe machen wir uns auf den Weg ins Bergsteiger- und Ski-Dorado Zermatt.

Ausgangspunkt unserer Gipfel-Skitour ist die knapp 2800 m hoch gelegene Monte Rosa Hütte, ein wilder und einsamer Außenposten, eingeschlossen und umflossen von den Eismassen des Monte Rosa-Gletschers.
Wir lassen es bequem angehen. Warum stundenlang über einen flachen Gletscher aufsteigen, wenn?s überall Lifte gibt? Also gondeln wir bequem per Seilbahn in Richtung Stockhorn empor. Zermatts Skigebiet ist legendär und das nicht nur wegen seiner extremen Höhe und dem riesigen Sommerskigebiet bis auf knapp 3800 m Höhe. Zum Freeriden ist das Gebiet (vor allem die Stockhorn-Seite) gigantisch – aber ernst und alpin. Leider haben die wenigen "ernsten Schneefälle" in diesem Winter einen Bogen um Zermatt gemacht, so dass die Schneelage alles andere als toll ist. Das bedeutet dünne, bruchgefährdete Schneebrücken auf den Gletschern oder Steine, wo kein Eis drunter ist. Beides doof, – dementsprechend zurückhaltend sind wir, als wir durch das Skigebiet cruisen. Spaß macht?s trotzdem.

Am Nachmittag geht's dann vom Stockhorn in Richtung Monte Rosa-Hütte

(Via Tour Nr. 125, mit langer Traverse, daher wenig geeignet für Snowboarder). Nicht besonders spannend, aber landschaftliche Extraklasse ist die lange Gletscher-Route allemal. Gerade als uns das Spazierenfahren langweilig wird, kommt ein steiler Fels-Rücken, den wir am Fixseil absteigend noch etwas eirig abklettern. Schnell wieder in die Ski gestiegen und weiter, schließlich gibt?s um 18 Uhr Abendessen. Auf dem Weg zur Monte Rosa-Hütte finden wir noch ein paar unerwartete Powder-Felder und erreichen hoch zufrieden die Hütte.

Dort trifft uns erstmal der Schlag. Wir hatten nicht damit rechnen können, an Ostern die einzigen Gäste zu sein, aber sooo viel Betrieb? Nun gut, eigentlich einleuchtend. Wir werden dem zweiten Essen-Fassen-Durchgang zugeteilt. Gut, dann halt um 19:30 Uhr, in drangvoller Enge.

Zumsteinspitze: Spaltenbruch und Eislawine

Am frühen Morgen unternehmen wir eine Akklimatisationstour in Richtung Zumstein-Spitze, immerhin 4563 m hoch. Eine recht einfache Tour, deren Schwierigkeit darin besteht, dass der zerschrundete Grenzgletscher jede Menge dünn verschneite Spalten verbirgt. Schnell wird uns klar: wir müssen anseilen und als wir dann mehrere "Spuren mit Loch" erblicken, sind wir heilfroh, am Seil zu sein. Heute werden wir ständig mit den Risiken des Hochgebirges konfrontiert: Plötzliche Riesen-Löcher in der Aufstiegsspur und dann rumpelt es auf einmal kräftig über uns. Mit Lawinen haben wir nicht gerechnet, es herrscht doch "nur" mäßige Lawineingefahr und das Gelände ist ziemlich flach. Einige hundert Höhenmeter über uns ist ein Stück des steilen Hängegletschers am Liskamm abgebrochen. Sieht Anfangs noch sehr klein aus, wird aber beim Fall durch das extreme Gelände schnell größer – und zur Staublawine. Und die kommt direkt auf uns zu und ist beeindruckend groß. Wären wir nicht auf einer größeren Anhöhe gestanden, hätten wir vermutlich arge Probleme bekommen und diese Zeilen wären die Zeilen eines Unfallberichts. Olav hat sich bereits hinter einem Serac (Gletscher-Eisturm) in Deckung geworfen, Totti blickt mit aufgerissenen Augen in die herandonnernde weiße Walze und Baschi knippst wild drauf los. Kurz bevor uns die Lawine zu verschlucken droht, wird sie von dem tiefen Tal abgelenkt und rauscht knapp an uns vorbei in Richtung Gorner-Gletscher. Nur der feine Schneestaub rieselt auf uns hinunter. Es wird kalt, wir frösteln, – steigen aber weiter auf.

Ohne den Gipfel zu erreichen, machen wir in 4100 m Höhe auf einem Eisrücken Rast. Die anschließende Abfahrt führt durch mäßig steiles Gelände, dafür in großartiger Kulisse.

Hüttenleben ist immer etwas Spezielles, besonders auf einem Außenposten wie der Monte Rosa-Hütte, schließlich kann die Hütte nur per Helikopter versorgt werden. Dafür sind die Preise (und das in der als teuer gescholtenen Schweiz) mehr als zivil. Schade nur, dass das Hüttenpersonal mit dem Ansturm der Tourengänger überfordert ist und der Hüttenwirt sich nicht gerade durch Freundlichkeit hervortut. 150 Gäste bevölkern die relativ kleine Hütte. Dementsprechend genervt sind viele Skibergsteiger, die hier übernachten. Kann man verstehen, aber dass manche dermaßen rüpelhaft unterwegs sind, erstaunt uns doch. Selbst auf einem Punk-Konzert wird man nicht viel öfters angerempelt. Am großartigen Panorama bei mildem Kaiserwetter ändert das nichts.

Drei Uhr Vierzig. Der Wecker schrillt…

Aufstehen! Scheiße, ich fühle mich total gerädert und zerstört. Schnell mit den anderen 100 Frühaufstehern (das zweite Frühstück für die "Langschläfer" gibts um 7 Uhr).

Fünf Uhr, klick, klick – die Bindungen rasten ein. Im Schein der Stirnlampen geht?s los. Wie immer fühle ich mich um diese Uhrzeit träge und lahm. Nach einigen hundert Höhemetern kommt endlich der "Motor" auf Touren und es wird weniger mühsam. Die Höhenakklimatisation hat erstaunlich gut funktioniert und es geht flott voran. An einem verharschten Steilaufschwung zum Gletscher angekommen, hören wir von oben ein kratzendes Geräusch, das schnell näher kommt und von einem schwachen Lichtschein markiert wird. Zum Glück wird der Hang bald flacher und der ausgerutschte Tourengänger, der an uns vorbeirauscht wird langsamer und kann halten. Okay, dann klemmen wir besser die Harscheisen unter die Bindungen. Endlich geht die Sonne auf – die Bio-Reaktoren laufen jetzt auf Hochtouren. Nach gut vier Stunden erreichen wir den letzten Steilanstieg, überqueren den Bergschrund, (den Bereich wo die Wandvergletscherung in den sich bewegenden Teil des Gletschers übergeht). Nach einer weiteren halben Stunde stehen wir am Skidepot. Wir befinden uns auf 4359 m Höhe und lassen nach einer kurzen Pause die Ski zurück und gehen mit angeschnallten Steigeisen weiter.

Von der Monte Rosa-Hütte (2795 m) bis zum Skidepot war der Aufstieg frei von technischen Schwierigkeiten und wir kamen trotz breiter Freeride-Ski gut voran.

Den Joker hält die Dufourspitze bis zum Ende versteckt:

Die Abfahrt mit über 20 km Länge und 3000 Höhenmetern ist extrem eindrücklich und gilt als eine der Schönsten der Alpen. Das Panorama mit dem omnipräsenten Matterhorn, der 60 Quadratkilometer große Monta Rosa-Gletscher mit seinen spektakulären Abbrüchen, die Liskamm-Nordwand, das Gorner-Tal und die abschließende Abfahrt durch das nach Chanel duftende Skigebiet von Zermatt machen diesen Run unvergesslich. Nur schade, dass die Tourismusindustrie vor nichts zurückschreckt und die besser betuchten "Leistungsträger" unserer Gesellschaft mangels Kondition mit Helikoptern bis kurz vor den Gipfel der Dufourspitze fliegen. Unwillig akzeptieren wir die Tatsache, dass wir uns die hart erkämpfte Abfahrt, die mancherorts bereits zur Buckelpiste mutiert ist, mit den Heli-Knechten teilen müssen. Nur gut, dass wir beim Aufstieg Varianten ausgekundschaftet haben, die uns ein paar unberührte Abfahrt bescheren.

Auf der Abfahrt macht sich die kurze Nacht und die vielen Höhenmetern in den Beinen bemerkbar. Wir sind ziemlich dehydriert und die ersten Weizenbier-Fantasien geistern durch den Kopf. Aber warten nutzt nicht, noch warten mehr als 15 km Abfahrt und knapp 1500 Höhenmeter auf uns. Und die ziehen sich. Landschaftlich grandios führt die Abfahrt nach Zermatt durch den Gletscherbruch des Grenzgletschers und dann über den flachen Gornergletscher. Perfektes Firn-Cruisen ist angesagt, der je tiefer wir kommen, zum Faulschnee wird. Dann wird?s nochmals tricky: In einer Engstelle des Tals liegt ein riesiger Toteisblock (ein Stück vom Gletscher, ohne Verbindung zum restlichen Gletscher), und taut vor sich hin, ist aber immer noch knapp 50 Meter hoch und 100 m lang. Zum Glück sind dort Seile gespannt und wir können mit angeschnallten Ski drum herum kletternd rutschen.

Weiter gehts durch tiefen Faulschnee und über unzählige Steine, aber das ist egal. Wir sind völlig fertig, die Hitze fordert ihren Tribut. Wir können bereits die Talabfahrt nach Zermatt sehen. Nochmals 100 Höhenmeter aufsteigen. Die Rucksäcke werden immer schwerer, zumindest fühlen sie sich so an. Im Skigebiet ist noch viel los und die schmale, sulzige Talabfahrt wimmelt von Wintersportlern. Uns ist inzwischen alles egal – durch unzählige knietiefe Pfützen und braune Sulzschneeberge rauschen wir Zermatt entgegen. Durst und Hunger könnten uns schon fast in den neo-barock-alpinen Zermatter MCDonnalds treiben. Fast. Doch ganz so schlimm ist es zum Glück noch nicht…

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