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Schneegestöber

SchneeGestöber 8 2016/17 | Messstationen und andere Hilfsmittel zur Tourenplanung

Es gibt einiges über den Lawinenlagebericht hinaus

von Lukas Ruetz 23.12.2016
Für die Tourenplanung und Gefahrenabschätzung existieren viele Onlinehelferlein die über die klassischen Mittel wie Karte, Führer, Lawinenbulletin und die Conditions Reports hinausgehen. Von größter Relevanz sind sie vor allem zu Saisonbeginn bzw. in der Zeit wenn der halbe Freundeskreis seine Freizeit bereits wieder im Freibad verbringt und kaum mehr aufbereitete Informationen von den Warndiensten zur Verfügung stehen.

Messstationen – Basics

Die Bauarten von Messstationen und -techniken im Gebirge sind vielfältig. Die Lawinenwarndienste im Alpenraum stellen die Stationsdaten großteils online zur Verfügung. Die wichtigsten Parameter sind hier die Lufttemperatur, der Taupunkt oder die relative Luftfeuchtigkeit, die Windstärke und –richtung sowie die Schneehöhe und die Neuschneesumme. Daneben werden teilweise noch die Oberflächentemperatur, die Globalstrahlung, Albedo, der Luftdruck und die Schneetemperatur auf verschiedenen Höhen innerhalb der Schneedecke gemessen. Häufig findet man an einem Stationsstandort eine Schneestation unterhalb von Grat- und Gipfelniveau und eine höher gelegene Windstation. Meist werden von beiden Stationen alle anderen Parameter ebenfalls gemessen. Die Kosten für eine Neuerrichtung bewegen sich für einen Standort immer im fünfstelligen Eurobereich. Dazu kommt die teils recht aufwändige Wartung und Instandhaltung. Es kommt relativ häufig vor, dass Instrumente durch äußere Einflüsse Schaden nehmen und repariert bzw. ausgetauscht werden müssen. Die Übertragung der Daten läuft in den allermeisten Fällen über das GSM-Netz, also über die Infrastruktur eines Mobilfunkunternehmens und hier kommen nochmals Kosten hinzu. Stationen, die sich außerhalb des Handynetzes befinden, können ihre Daten nicht regelmäßig zu den Servern übertragen und sind so im Regelfall auch online nicht einsehbar. Ausgesprochen wichtig bei der persönlichen Analyse von Stationsdaten und -grafiken ist ein gesundes Maß an Skepsis. Es handelt sich hier um sogenannte ungeprüfte Rohdaten, die nicht kontrolliert oder ausgebessert werden. Das heißt, wenn ein Messinstrument fehlerhafte Daten liefert – was nicht ganz so selten vorkommt – werden diese genauso weitergegeben.

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Schneehöhe

Die häufigsten Fehlinformationen liefert die Schneehöhenmessung: Erstens ist die Schneehöhe von einem Standort – und sei er noch so windgeschützt – nur wenig aussagekräftig für größere Maßstäbe. Zweitens kommt es immer wieder vor, dass sich die Oberflächenbeschaffenheit (v.a. durch Pflanzen) und damit die Höhe vom Untergrund ändert und die Schneehöhe damit nicht korrekt ermittelt werden kann. Für die Tourenplanung ist die Schneehöhe einer Station dadurch nur sehr bedingt aussagekräftig. Im Frühwinter muss man das Gelände und die Oberflächenbeschaffenheit des Standortes sehr genau kennen, um mittels der Schneehöhe die Durchführbarkeit einer Tour zu eruieren. Noch viel wichtiger: Die Schneequalität und –dichte. Die derzeitige Schneesituation in den Ostalpen stellt dafür ein gutes Beispiel dar: Sogar 70cm Schneedecke nützen wenig, wenn sie fast durchgehend aufbauend umgewandelt ist und man durchsackt. Dafür können auf grasigen Untergründen schon 20cm von etwas verfestigtem Schnee genügen, um ohne Untergrundkontakt Skifahren zu können. Hier hilft keine Station sondern nur Prozessdenken, sollten sonst noch keine aufbereiteten Informationen von Fachkanälen zur Verfügung stehen.

Globalstrahlung

Die Globalstrahlung ist die Summe der auftreffenden Solarstrahlung – also der Strahlungsenergie der Sonne. Das sichtbare Licht ist nur ein Teil der emittierten Strahlung der Sonne. Im Alpenraum bewegt sich die Globalstrahlung Ende Dezember auf einem Maximum in der Mittagszeit von etwa 400 Watt pro Quadratmeter. Ende Juni steigt der Wert auf über 1.200 Watt an. Für die Tourenplanung unter Umständen interessant ist der Kurvenverlauf der Globalstrahlung der letzten Tage: Ist die Kurve ausgefranst, sind während der „Fransen“ Wolken durchgezogen, die die Strahlungsintensität gedämpft haben – ist die Kurve komplett abgeflacht, kann man von einem vollständig bewölkten Tag ausgehen. Vor allem interessant ab Feber bezüglich der Verbreitung von Bruchharsch.

Windstärke und –richtung

Da die überregionale Windrichtung durch fast immer vorhandene lokale Umlenkungseffekte nicht anhand von einer Station ermittelt werden kann, sollte man hier die Gesamtsituation mittels mehrerer Stationen beurteilen oder auf eine gesammelte Visualisierung wie vom LWD Tirol zurückgreifen, siehe hier.  Für die Planung ist der Wind natürlich recht einfach zu verwenden: Je stärker er weht, desto häufiger vorhanden sind Triebschneepakete und desto mächtiger sind sie. Man findet sie überwiegend in den Expositionen, die in Windrichtung ausgerichtet sind. Die Abschätzung erfolgt in Kombination mit der Lufttemperatur: Je kälter es ist, desto störanfälliger sind sie. Außerdem kann man nachschauen, wann der Wind unter Verfrachtungsstärke (ca. 20km/h, natürlich abhängig von der Schneebeschaffenheit) abgeflaut ist und damit das Alter von potentiellen Triebschneepaketen abschätzen. Darüber hinaus sieht man an plötzlichen Windrichtungsänderungen, ob der Standort bspw. bereits im Einfluss einer Front liegt oder nicht – wie bei Südföhn: ändert sich die Richtung schlagartig und die Windstärke lässt nördlich des Hauptkamms kurz nach, ist der Niederschlag der prognostizierten Front kurz vor Einsetzen. Zeigt der Windmesser eine exakt gleichbleibende Windrichtung bei null Windstärke, ist der Windmesser eingefroren – meist nur temporär der Fall. Bei einer Frühjahrslawinensituation (durchfeuchtete bzw. durchnässte Schneedecke, Lawinengefahr für den Sportler hängt in erster Linie von der nächtlichen Harschdeckelbildung ab) ist starker Wind von Vorteil: Zu verfrachtender Schnee ist kaum vorhanden bzw. die Sprödigkeit von Triebschneepaketen sehr gering, dafür kühlt der Wind die Oberfläche massiv durch die Verdunstungskälte da dauernd "frische", "wasserdampfaufnahmefähige" Luft zugeführt wird - mehr dazu weiter unten.

Temperatur

Die Temperatur hilft zum einen bezüglich der Frage, welche Kleidung man einpacken soll. Zum anderen vor allem bezüglich Sprödigkeit von Triebschneepaketen: Herrschen Temperaturen von um 0°C oder wärmer, sind Triebschneepakete von Neuschnee wenig spröde (zerbrechlich) und Triebschneepakete, die aus einer bereits vorhandenen Schneedecke gebildet werden, verlieren ihre Sprödigkeit ebenfalls schneller. Frischer Triebschnee stellt trotzdem immer eine Gefahr dar und ihm sollte konsequent ausgewichen werden! Je wärmer es allerdings ist (bzw. in den letzten Tagen war), desto schneller nimmt die Sprödigkeit von gebildetem Triebschnee ab.

Taupunkt & relative Luftfeuchtigkeit

Ein Luftpaket kann mit steigender Temperatur mehr Wasserdampf aufnehmen. Die Aufnahmefähigkeit steigt exponentiell an, wie die Lawinengefahr mit steigender Gefahrenstufe. Steigt die Wassermenge in dem Luftpaket über die maximale Menge an, kondensiert der überschüssige Wasserdampf und bildet Wassertropfen, also Nebel oder Wolken. Das heißt, je kälter das Luftpaket ist, desto weniger Wasser kann es aufnehmen und im Umkehrschluss: Je wärer die Luft wird, desto mehr Wasserdampf kann sie „tragen“. Sobald das Luftpaket soweit abgekühlt ist, dass der Wasserdampf den Grenzwert erreicht, kondensiert die Feuchtigkeit – damit ist der Taupunkt erreicht. Der Taupunkt ist also jene Temperatur, auf die man die Luft abkühlen müsste, bis der Wasserdampf zu kondensieren anfängt. Liegt der Taupunkt sehr tief, ist die relative Luftfeuchtigkeit ebenfalls niedrig. Nähert sich der Taupunkt der Lufttemperatur an, steigt die relative Luftfeuchtigkeit. Ist der Taupunkt gleich der Lufttemperatur, herrscht eine relative Luftfeuchtigkeit von 100%. Die Luft ist wasserdampfgesättigt. Dabei kann es noch nicht bzw. kaum zu Kondensation kommen oder bereits Nebel und Wolken vorhanden sein.

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Der Taupunkt allein sagt noch nichts über eine Wolkenbedeckung aus. Für die Planung ist der Taupunkt sehr interessant im Frühjahr: Je feuchter die Luft ist, desto weniger kann sie Feuchtigkeit von der Schneeoberfläche aufnehmen und damit die Schneeoberfläche kühlen. Sublimiert nämlich der Schnee oder verdampft die Feuchtigkeit an der Oberfläche und geht damit in Wasserdampf über, wird der Schneedecke Energie entzogen und damit durchfeuchtet sie langsamer bzw. bildet in der Nacht einen stärkeren Harschdeckel aus. Die Verbindung von Taupunkt, Lufttemperatur und.....

...Oberflächentemperatur

kann eine überaus gute Einschätzungsgrundlage für die Lawinengefahr bei einer klassischen Frühjahrsituation liefern. Erreicht die Schneeoberfläche null Grad Celsius, beginnt die Durchfeuchtung. Je länger die Oberflächentemperatur nicht den Gefrierpunkt erreicht, desto länger kann sich der Harschdeckel halten. Liefert die Kurve der Oberflächentemperatur Werte über dem Gefrierpunkt, ist es an der Messstation aper. Sollte die Schneehöhe in diesem Fall aber einen positiven Wert ermitteln, liegt hier ein Messfehler vor. Die Schneeoberfläche einer durchnässten Schneedecke verharscht übrigens tragfähig in einer wolkenlosen Nacht bis zu einer Lufttemperatur von grob +5°C – das hängt allerdings sehr stark von der Luftfeuchtigkeit ab und kann nur als wirklich grober Richtwert verwendet werden! Denn wie erwähnt: je trockener die Luft, desto mehr kann Schnee an der Oberfläche sublimieren bzw. Feuchtigkeit in Wasserdampf übergehen und damit wird die Oberfläche besser gekühlt.

Webcams

Verbindet man die letzten drei Parameter mit den Webcams unter www.foto-webcam.eu, mittels derer man den Bewölkungsgrad in der Nacht perfekt abschätzen kann, hat man ein wirklich gute Planungsgrundlage bei Frühjahrssituationen. Die Webcams in diesem Portal arbeiten mit Spiegelreflexkameras die ihre Bilder in der Nacht bis zu 30 Sekunden belichten. Das heißt: Die Fotos in der Nacht sind so hell, dass man den Bewölkungsgrad gut abschätzen kann und damit Rückschlüsse auf die Fähigkeit der Schneedecke Wärme abzustrahlen – sollten die Wolken allerdings relativ schnell vorbeiziehen im Zeitraum der Belichtung der einzelnen Fotos, sieht man einen „verwischten“ Wolkenschirm. Die Zeiten, in denen der Schneestöberer im April und Mai bei wechselhaftem Wettercharakter in der Nacht aufgestanden ist um aus dem Fenster zu schauen (wobei der Wecker für die anstehende Tour eh schon früh genug gestellt war), sind seit der Verfügbarkeit solcher Bilder jedenfalls vorbei.

Satellitenfilm und Niederschlagsradar

Vor allem für die sehr kurzfristige Einschätzung vom Zeitpunkt der hereinziehenden Fronten, die ein täglich erstellter Wetterbericht - egal ob von Meteorologen oder rein anhand von Computern mit den Modellen – nicht exakt abschätzen kann, hilft der aktuelle Satellitenfilm und ein Niederschlagsradar sehr gut um sich ein Bild zu machen, wie weit die Front und deren Wolken- bzw. Niederschlagsband bereits vorangekommen ist. Beispielsweise der Satellitenfilm der ZAMG und das Niederschlagsradar Valluga.

Merke: Es gehört einiges an Erfahrung zur Tourenplanung mit Stationsdaten, die man sich allerdings selbst aneignen kann. Ein Wert allein hilft wenig bis gar nichts – die Kombination von mehreren hat eine große Aussagekraft.

Der Schneestöberer wünscht frohe Weihnachten! Das Christkind bringt uns vermutlich nicht das weiße Zeug, was wahrscheinlich alle am Wunschzettel hatten...

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