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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Eine naturverträgliche Skitour

Nachhaltig auf Tour - wie geht das?

von Benjamin Stern (ÖAV) 16.12.2019
Wir sind hier nicht allein unterwegs.

Wir sind hier nicht allein unterwegs.

LH
Während die Anzahl an AlpinSkifahrer*innen stagniert bzw. teils rückläufig ist, verzeichnet der Skitourenmarkt große Wachstumszahlen. Immer mehr Menschen suchen im Schweiße des eigenen Angesichts das besondere Wintererlebnis. Auch wenn das Skitourengehen im Vergleich zum AlpinSkifahren – für das eigens Infrastruktur errichtet werden muss – zu den naturschonenderen Sportarten zählt, so hat es dennoch Auswirkungen auf Natur und Umwelt.

Vorweg ein Hinweis für alle Leser*innen mit Moralapostelallergie: Der folgende Text kann Spuren von Müssen und weitere Verhaltensempfehlungen enthalten. Der Autor selbst ist auf diesem Gebiet kein Heiliger, wohl aber ein Gläubiger.

Um bei dir, liebe Leserin, lieber Leser, mehr Skitourenfeeling aufkommen zu lassen, lädt dich die folgende Geschichte ein, dich gedanklich auf eine Skitour mit einer Gruppe von Freund*innen zu begeben. Umweltfreundliches Handeln ist euch wichtig, jede*r von euch hat gute Ideen, wie das auch bei einer Skitour gelingen kann:

Endlich. Das lang ersehnte, verlängerte Wochenende steht vor der Tür und: die Wetterprognose ist perfekt! Angela, Giuseppe, Sebastian und du, ihr habt schon vor längerer Zeit darüber gesprochen, an diesem Wochenende eine Skitour zu unternehmen. Nur: zu Hause ist die Schneelage nicht besonders gut und außerdem wolltet ihr sowieso eine andere Gegend kennenlernen. Nachdem ihr euch durch diverse Tourenportale geklickt habt, fällt eure Wahl auf ein Bergsteigerdorf.

Sebastian checkt die Zugverbindungen. Doch statt der 2 Stunden, die im Auto nötig wären, würde mit Bahn, Bus und womöglich noch Taxi ein ganzer Tag draufgehen. Somit ist klar: Am Auto kommt ihr nicht wirklich vorbei. Angela hat einen größeren Bus, in dem 4 Leute plus Equipment bequem Platz haben. Außerdem könne man auch darin schlafen, so die Idee von Giuseppe. Doch dieser Punkt wurde bis dato noch nicht wirklich besprochen – wie lange wollt ihr eigentlich bleiben? Du bist von einer Tagestour ausgegangen, doch der Gedanke an einen längeren Aufenthalt gefällt dir, weil du sowieso keine anderen Pläne für das Wochenende hast. Außerdem würde sich damit die lange Anreise rentieren. Angela und Sebastian sind auch einverstanden, doch geben sie zu bedenken, dass sie sich nicht nach einer Skitour ungeduscht in ein kaltes Auto legen wollen.

„Ein Zimmer muss schon sein!“, bist auch du der Meinung.

„Außerdem sollten wir nicht nur unsere Abgase und unseren Müll dort lassen, sondern im Gegenzug auch einen Beitrag zur lokalen Wertschöpfung leisten – sprich vor Ort auch etwas konsumieren“, findet Giuseppe und verwirft seine ursprüngliche Idee.

Ihr bucht zwei feine Zimmer in einer Pension, packt eure Sachen und plant schon die Tour für morgen. Obwohl der Lawinenlagebericht „nur“ mäßige Gefahr prognostiziert, fällt eure Wahl auf eine einfache, flachere Tour, weil ihr euch am ersten Tag selbst ein Bild von den Verhältnissen machen wollt. Die Vorfreude auf das nahende Schneeerlebnis steigt…

Beim Anblick der tief verschneiten Winterlandschaft ist sofort aller Ärger über den Anreise-Stau vergessen. Schnell die Tourenschuhe anziehen, die Ski auffellen, den Rucksack fertig packen und los kann‘s gehen. „Den LVS-Check nicht vergessen!“ mahnt Sebastian und zieht sein neues Gerät mit Gruppencheckfunktion heraus. Nach wenigen Metern erreicht ihr eine Infotafel, die euch bei der Tourenplanung schon untergekommen ist. Deshalb wisst ihr: Die Skitour ist Teil eines Besucherlenkungsprogramms. Es gibt empfohlene Aufstiegs- und Abfahrtsrouten sowie ausgewiesene Wildruhezonen, die nicht betreten werden sollten, um die Wildtiere, die im Winter stark unter Störungen leiden, zu schonen.

„Welche Tiere sind dabei besonders betroffen?“ willst du von Sebastian wissen, der sich bekanntlich regelmäßig mit diesem Thema befasst.

„Der Winter ist für alle Wildtiere eine harte Jahreszeit. Die Körpertemperatur wird heruntergefahren, alles läuft im Energiesparmodus. Kommt es zu Störungen durch Wintersportler*innen, ergreifen sie die Flucht und verbrauchen dabei viel wertvolle Energie. Am sensibelsten reagieren dabei die Raufußhühner, also Birk-, Auer- und Schneehuhn. Sie gehören übrigens zu den gefährdeten Arten im Alpenraum. Um flugfähig zu bleiben, können sie sich keine Fettreserven anfressen. Werden sie zu oft aufgescheucht, droht ein frühzeitiger Tod.“

„Das möchte ich vermeiden! Halten wir uns bitte an die Routen-Empfehlungen“, befindet Giuseppe.

„Nachdem wir das geklärt hätten, können wir bitte endlich weitergehen?“ fragt Angela ungeduldig und setzt sich demonstrativ in Bewegung. Sie geht vorne weg, was dir insgeheim recht ist, weil du weißt, dass sie ein angenehmes Tempo wählt. Sebastian hat dadurch genügend Luft, um weiterzuerzählen:

„Auch Störungen von Rot- und Rehwild haben negative Auswirkungen. Werden diese von den Fütterungs- und Einstandsbereichen vertrieben, suchen sie an anderen Stellen Nahrung. Dadurch steigen die Verbissschäden im Wald. Die Tiere knabbern an Trieben und schälen die Rinde ab. Das hat zur Folge, dass Bäume absterben, der Wald lichter wird und dadurch weniger Schutz vor Lawinen und Steinschlag bietet. Gibt es Schäden im Schutzwald, hat das also auch Konsequenzen für menschliche Siedlungsräume.“

Wir sind hier nicht allein unterwegs.

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LH

„Hat jemand Taschentücher dabei?“, unterbricht Giuseppe Sebastians Ausführungen.

Seinem Gesichtsausdruck ist abzulesen, dass ihn ein dringendes menschliches Bedürfnis plagt.

„Ich habe Klopapier dabei“, sagt Angela in leicht vorwurfsvollem Ton. „Denn falls du’s noch nicht weißt: es kann bis zu fünf Jahre dauern, bis Taschentücher verrotten. Bei Klopapier geht das deutlich schneller. Am besten wäre aber sowieso, das Papier wieder mitzunehmen.“ Mit einem belehrenden Blick überreicht sie ihm die Rolle.

„Okay, okay, danke“, antwortet Giuseppe knapp und verschwindet in den Bäumen.

Ihr nutzt die Zeit für eine kurze Trink- und Essenspause. Du holst dein Jausenbrot heraus und präsentierst stolz dein selbst gemachtes Bienenwachstuch, in welches du das Brot eingewickelt hast.

„Ein kleineres Packmaß als die sperrigen Jausenboxen und eine nachhaltige Alternative zu Einwegverpackungen“, schwärmst du den beiden vor.

Das Knacken eines Astes kündigt Giuseppes Rückkehr an.

„Darf ich bitte auch noch schnell was essen?“, fragt er, wobei anklingt, dass es ihm leidtut, erneut eine Verzögerung zu verursachen.

Vermutlich deshalb verschlingt er seine Banane in drei Bissen. Als er zum Wegwurf der Bananenschale ausholt, fährt ihn Angela an:

„Nicht wegschmeißen!“

„Warum nicht? Das ist doch organischer Abfall“, erwidert er.

„Das mag schon sein, aber es kann trotzdem bis zu drei Jahre dauern, bis Bananen- oder Orangenschalen verrottet sind.“

Giuseppe lässt sich überzeugen und verstaut die Schale in seiner Jausenbox.

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Ihr setzt die Tour fort. Bald lasst ihr die letzten Bäume hinter euch. Der Blick weitet sich. Schritt für Schritt rückt das Gipfelkreuz näher. Vor euch liegt aber noch die Schlüsselstelle der Tour: Der ca. 30 Grad steile Gipfelhang. In sicherer Entfernung diskutiert ihr die weitere Vorgangsweise.

„Nach den gängigen Entscheidungsstrategien wären wir bei Lawinenwarnstufe 2 der 5-teiligen Skala in einem vertretbaren Risikobereich“, sagt Angela.

„Aber nur, wenn wir vor Ort keine für uns problematischen Gefahrenzeichen erkennen“, ergänzt Giuseppe.

Da ihr alle bereits an Lawinentrainings teilgenommen habt, sind euch die entscheidenden Fragen in dieser Situation bekannt: Ist Neuschnee ein Problem? Gibt es frischen Triebschnee? Hat jemand Setzungsgeräusche wahrgenommen? Ist die Schneedecke durchfeuchtet? Sind frische Lawinen zu sehen? Da ihr diese Fragen mit „Nein“ beantworten könnt, entscheidet ihr euch für den Aufstieg. Giuseppe geht vor und setzt gekonnt die erste Spitzkehre in den Hang.

„10 Meter Entlastungsabstände!“, erfolgt sicherheitshalber sein Kommando, auch wenn das vermutlich alle gewusst hätten.

Am Gipfel genießt ihr den herrlichen Ausblick und besprecht die Abfahrtsoptionen.

„Dort unten ist der Wald nicht so hoch und es führt noch keine einzige Spur rein!“, zeigt Angela euphorisch auf ihre Wunschabfahrt.

Doch Sebastian widerspricht: „Das ist Jungwald. Wir würden dort mit unseren Skikanten Schaden anrichten. Außerdem ist es gesetzlich nicht erlaubt, da durch zu fahren.“

„Wir sollten uns, wie am Ausgangspunkt besprochen, an die empfohlene Abfahrtsroute halten“, erinnert Giuseppe.

Du pflichtest ihm bei: „Das finde ich auch. Ich habe mir beim Raufgehen das Gelände genau angesehen – es gibt noch zahlreiche Passagen mit perfektem Pulverschnee!“

„Okay, ihr habt ja Recht“, beugt sich Angela etwas zähneknirschend dem Wunsch der Mehrheit.

„Dafür darfst du als Erste fahren“, bietet ihr Sebastian augenzwinkernd an.

„Das nehme ich gern an“, antwortet sie lächelnd und macht sich schon zum Losfahren bereit.

„Am Gipfelhang sollten wir mindestens 30 Meter Abstand halten“, sagt Giuseppe eindringlich.

„Noch besser ist, wir fahren den Hang einzeln ab, dann können wir sogar noch Fotos von uns machen“, schlägst du vor.

Allseitige Zustimmung. Angela liebt die Geschwindigkeit. Nach vier lang gezogenen Schwüngen bleibt sie im flacheren Gelände an einem sicheren Sammelpunkt stehen. Ihr drei wollt etwas platzsparender agieren. Deshalb plant ihr, mit euren Kurzschwüngen ein Teppichmuster im Schnee zu hinterlassen. Giuseppe und dir gelingt ein schönes paralleles Muster, Sebastian versucht es auch, ein Beinahe-Sturz vereitelt aber seinen Plan, was zur kollektiven Erheiterung beiträgt.

Gut gelaunt und zufrieden kommt ihr am frühen Nachmittag wieder am Parkplatz an.

„Das war so cool, am liebsten würde ich gleich nochmal raufgehen. Eine Sonnenuntergangstour – das wäre doch was?“, fragt Giuseppe in die Runde.

Sebastian antwortet prompt: „Das ist keine gute Idee. Die Dämmerung ist für die Wildtiere die Zeit der Nahrungsaufnahme und Ruhephase. Störungen sind zu dieser Zeit besonders heikel.“

„Keine Angst, Sebastian, das war nur ein Scherz. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich erledigt und – Stichwort Nahrungsaufnahme – ich freu mich jetzt aufs Essen und ein Bier!“, grinst Giuseppe.

Auf dem Weg in die Pension wird das Gespräch noch einmal ernsthafter, schlussendlich seid ihr alle einer Meinung: Ein rücksichtsvoller Umgang mit Wild und Wald ist wichtig und sinnvoll, zugleich muss es aber auch möglich sein, als Wintersportler*in Spaß im Gelände zu haben. Am Berg sollte für alle Platz sein. Die heutige Tour war ein gutes Beispiel dafür. Und so soll es auch morgen weitergehen…

Diese Skitouren-Geschichte zeigt, dass es nicht einfach ist, alle Problem- und Handlungsfelder „am Schirm“ zu haben. Niemand in deiner Gruppe hätte alles gewusst, durch den gegenseitigen Austausch habt ihr aber viel dazu gelernt. Da immer mehr Skitourengeher*innen in den Bergen unterwegs sind, steigt das Konfliktpotential und damit auch der Aufklärungsbedarf – möglichst viele Personen sollten für ein naturverträgliches Verhalten sensibilisiert werden. Diese Geschichte soll einen Beitrag dazu leisten. Im Bild links gibt es die Empfehlungen noch einmal auf einen Blick - zum Vergrößern drauf klicken. 

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