Welche HĂ€nge zu einem bestimmten Zeitpunkt befahren werden können, darĂŒber entscheidet neben dem Fahrkönnen der beteiligten Wintersportler zuerst einmal die Lawinengefahr. Werner Munters Motto "Je steiler umso geiler, desto schneller löst sich die Lawine" bringt?s auf den Punkt: Wir Freerider mĂŒssen unsere GelĂ€ndewahl vor allem der Lawinensituation anpassen.
Die Lawinengefahr entscheidet, welche Touren und Abfahrten möglich sind
Je höher die Lawinengefahr, umso ungĂŒnstiger ist die Schneedecke aufgebaut und umso defensiver muss das GelĂ€nde gewĂ€hlt werden. Kurz gesagt: niedrige Lawinengefahr und gĂŒnstige SchneeverhĂ€ltnisse bedeuten: steiles GelĂ€nde kann gewĂ€hlt werden. Hohe Lawinengefahr und ungĂŒnstige Schneesituation heiĂt: ich beschrĂ€nke mich auf mĂ€Ăig steiles oder sogar flaches GelĂ€nde.
3x3-Filter- und Reduktionsmethoden als Entscheidungsgrundlage
Die heute angewendeten verschiedenen Risiko-Check Methoden, gehen auf die revolutionĂ€ren Arbeiten des Lawinenexperten Werner Munter zurĂŒck bzw. bauen auf diesen auf. Diese Risko-Checks sind heute die Grundlage fĂŒr vernĂŒnftige Entscheidungen risikobewusster Wintersportler, die mit dem Lawinenproblem nicht im Stil russischen Roulettes umgehen wollen. Die bekanntesten Methoden sind: 3x3-Filter, Reduktionsmethode, SnowCard, Goldene Regel und Bierdeckel-Schnellcheck. Wer in diesen Methoden noch nicht Firm ist, findet eine Kurzbeschreibung dieser Risiko-Check-Methoden als Link.
Zur Vorbereitung von Touren und Freeride-Tagen eignet sich insbesondere die 3x3-Filtermethode. Diese beurteilt die Faktoren âVerhĂ€ltnisseâ (Lawinen, Schnee, Wetter), âGelĂ€ndeâ und âMenschâ und ermöglicht eine einfache, aber professionelle und risikooptimierte Planung. ZusĂ€tzlich beeinflussen sich die Faktoren natĂŒrlich gegenseitig und mĂŒssen in der Schlussplanung miteinander harmonieren.
Der Faktor Mensch
NatĂŒrlich muss eine Tour den körperlichen und geistigen FĂ€higkeiten der Gruppe angepasst sein. So selbstverstĂ€ndlich diese Aussage ist, so verheerend ist die Fehlplanung. Selbst die gemĂŒtlichste Tour wird zum Desaster, wenn ein Gruppenmitglied in der SchlĂŒsselstelle probleme bekommt, am Grat die Angst eintritt, oder am Ende die Körner fehlen.
Der Faktor Wetter
Auch das Wetter mus zur Tour passen. So kann man leichte Touren nicht weit ĂŒber die Baumgrenze bei gĂŒnstiger Lawinenlage durchaus auch bei schlechterem Wetter machen. Sobald aber das GelĂ€nde eine diffizilere Orientierung erfordert, oder die Lawinenlage verlangt, dass man die umliegenden HĂ€nge beurteilen kann, sinkt die Schlechtwettertoleranz erheblich. Wie alle anderen Faktoren auch, muss also das Wetter zu den Gegebenheiten und zur Planung passen.
Der Faktor Lawinen
1. Die aktuelle und voraussichtliche Lawinenwarnstufe fĂŒr das betreffende Gebiet.
2. Die maximale Hangneigung der zu befahrenden Abfahrt bzw. Tour. Achtung: je höher die Lawinengefahr ist, umso groĂflĂ€chiger muss die Lawinengefahr des umgebenden GelĂ€ndes in der GefahreneinschĂ€tzung beurteilt werden. Aufgrund der Möglichkeit von Fernauslösungen muss dann der gesamte Hangabschnitt berĂŒcksichtigt werden.
3. Ebenfalls sehr wichtig fĂŒr die EinschĂ€ttzung des Risikos einer Abfahrt oder Tour ist deren Exposition(en), das heiĂt, die Himmelsrichtung in die der Hang bzw. die HĂ€nge geneigt sind.
4. Die Anzahl und das Können der beteiligten Wintersportler.
Lawinengefahr und Schneedeckeninfos
Die Lawinenwarnstufe beschreibt die allgemeine GefĂ€hrdung durch Lawinen. Die Zusatzinfos, also das âKleingedruckeâ verraten, welche HĂ€nge eher gĂŒnstig und welche HĂ€nge besonders risikotrĂ€chtig sind.
Hangneigung, Hangexposition und GelÀndeformationen
Die Hangneigung lĂ€sst sich im GelĂ€nde messen oder schĂ€tzen, doch dann ist es fĂŒr eine vorausschauende Tourenplanung zu spĂ€t. Besonders bewĂ€hrt haben sich zur Touren- und Freeride-Planung topografische Karten im groĂen MaĂstab (1:25.000). Mit Hilfe solcher Karten ist es ein Leichtes, die Hangneigung, Hangform und -Exposition nahezu jedes GelĂ€ndeabschnittes zuverlĂ€ssig zu bestimmen. Wie das geht? Eine EinfĂŒhrung zum Hangneigungsmessen in der Karte findet ihr hierâŠ
Die GruppengröĂe
Je mehr Wintersportler die Schneedecke an einem Punkt belasten, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eine Lawine auszulösen. Aus diesem Grund sind groĂe Gruppen nicht nur schwierig in der Gruppenorganisation, weil man sich entweder stĂ€ndig in die Quere kommt oder sehr viel warten muss, sondern auch, weil die Wahrscheinlichkeit, eine Lawine auszulösen, ebenfalls ansteigt. Dies trifft insbesondere bei eher ungĂŒnstigen LawinenverhĂ€ltnissen zu, wohingegen bei geringer Lawinengefahr (Stufe 1) wenig dagegen spricht, auch mal als gröĂere Gruppe einen Backcountry-Ausflug zu unternehmen.
Der Faktor GelÀnde
GelÀndeformen
Einige wichtige GelÀndeformen sollte jeder Freerider kennen. Neben dem Erkennen typischer GelÀndefallen geht es auch darum, die besonders geeigneten, also sozusagen die GelÀnde-Leckerbissen bereits im Voraus zu erkennen, um zu entscheiden, ob sich eine Tour oder ein Gebiet besonders lohnt.
Gefahrenstellen
Ungegliederte SteilhĂ€ngeUngegliederte, extreme SteilhĂ€nge, die steiler sind als 39° Neigung, gehören zu den besonders kritischen GelĂ€ndeformen. Mangels ausgeprĂ€gter GelĂ€ndestrukturen ist die Schneedecke schwach abgestĂŒtzt. Vor allem bei hohen Gefahrenstufen lösen sich hier oftmals groĂe Lawinen.
GelĂ€ndefallen: Mulden, GrĂ€ben, Senken, FlachstĂŒcke
Tief eingeschnittene GrĂ€ben, ausgeprĂ€gte Mulden und Senken sowie FlachstĂŒcke unterhalb von SteilhĂ€ngen können zur tödlichen Falle werden. Insbesondere in Mulden oder BachlĂ€ufen können schon vergleichsweise kleine Lawinen zu sehr tiefen VerschĂŒttungen fĂŒhren.
Wartepunkte sollten möglichst nie im Flachen am Ende von SteilhÀngen gewÀhlt werden, weil man im Falle einer Lawinenauslösung von oberhalb sehr nur geringe Chancen hat, zu entkommen.
Rinnen
Viele HĂ€nge, vor allem in felsigem Terrain sind von Rinnen und RĂŒcken durchzogen. WĂ€hrend die Felsformationen oft nur wenig oder gar nicht mit Schnee bedeckt sind, befindet sich oftmals viel Triebschnee in den Rinnen, sodass diese, vor allem nach Neuschnee unter Windeinfluss, immer mit Vorsicht zu genieĂen sind. Achtung: Rinnen sind Lawinenbahnen.
SteilhÀnge hinter GelÀndeeinschnitten (SÀttel)
SteilhĂ€nge hinter GelĂ€ndeeinschnitten und SĂ€tteln im Lee (Windschatten) gehören zu den typischen Stellen, an denen Lawinen ausgelöst und Wintersportler verschĂŒtet werden. Die GelĂ€ndeeinschnitte bewirken hĂ€ufig einen DĂŒseneffekt, wodurch auf der Windschattenseite solcher Einsattelungen oftmals groĂe Mengen Triebschnee abgelagert werden.
SteilhĂ€nge mit FelsabbrĂŒchen
SteilhĂ€nge, die gröĂere FelsabbrĂŒche aufweisen, sind risikoreich und ungĂŒnstig zu bewerten: Die Schneedecke ist kaum abgestĂŒtzt und kann dadurch leichter gestört werden. Hinzu kommt die Absturzgefahr im Falle einer Lawinenauslösung oder bei einem Sturz.
Gletscher
Beim Freeriden im Hochgebirge befindet man sich hĂ€ufig im vergletscherten GelĂ€nde. In schneearmen Wintern sowie generell im FrĂŒh- und Hochwinter sind die Spalten oftmals nur dĂŒnn mit Schnee bedeckt und die Spaltensturzgefahr ist hoch. Ortskenntnis ist hier ein entscheidender Vorteil. Wenn man die Positionen der Spaltenzonen kennt, kann man auch auf Gletschern â gute Sicht vorausgesetzt â meist gut und ohne allzu hohes Risiko unterwegs sein. Achtung: Gletschertouren bzw. -abfahrten erfordern neben der entsprechenden AusrĂŒstung (Seil, Gurt, Karabiner, Schlingen, Eisschraube) das entsprechende Know-how fĂŒr die Spaltenbergung.
Nicht einsehbares GelÀnde
Im extremen SteilgelÀnde sind die meisten Abfahrten nicht auf ganzer LÀnge einsehbar, was die Navigation entscheidend erschwert und auch die Absprachen innerhalb der Gruppe sehr schwierig macht.
Besonders lohnendes und risikobegĂŒnstigtes GelĂ€nde
Kupiertes GelÀnde
Kupiertes GelĂ€nde bietet zumeist gute Möglichkeiten, auch bei angespannter Lawinensituation vergleichsweise gĂŒnstige Aufstiegs- und Abfahrtsrouten zu finden. Hier sollten man jedoch darauf achten, dass auf kleinster FlĂ€che die Hangneigung sowie die -Exposition laufend wechseln und gĂŒnstige und gefĂ€hrliche Bereiche kleinrĂ€umig unmittelbar aneinander grenzen können. Optisch erweckt solches GelĂ€nde den trĂŒgerischen Eindruck lawinensicher zu sein. Doch bereits mittelgroĂe Lawinen können gestuftes oder kupiertes GelĂ€nde ĂŒberspĂŒlen und dann können die Mulden zur tödlichen Falle werden.
RĂŒcken
Auf RĂŒcken liegt fast immer deutlich weniger Schnee als in Mulden und Rinnen. Daher findet man hier, vor allem bei angespannten Lawinensituationen oftmals wesentlich risikoĂ€rmere Aufstiegs- und Abfahrtsmöglichkeiten. Allerdings ist dort das AbfahrtsvergnĂŒgen oft eher eingeschrĂ€nkt.
Eine Sondersituation sind sehr schneereiche Winter, wie der aktuelle Winter 2012: da die Schneedecke auf den RĂŒcken weniger mĂ€chtig ist, können eventuell vorhandene Schwachschichten in der Schneedecke im Bereich der dĂŒnnen Schneedecke leichter gestört werden und hierdurch Lawinen ausgelöst werden. Im Bereich sehr dicker Schneedecken können tief gelegene Schwachschichten von Wintersportlern meist kaum mehr gestört werden. Solche Sondersituationen werden jedoch meist im Lawinenlagebericht genannt. Siehe hierzu das âKleingedruckteâ.
WeitlĂ€ufiges, mĂ€Ăig steiles GelĂ€nde
WeitlĂ€ufiges, mĂ€Ăig steiles GelĂ€nde kann hĂ€ufig auch bei kritischer Lawinensituation befahren werden, vorausgesetzt es befindet sich nicht im Auslauf- bzw. Einzugsbereich gefĂ€hrliche LawinenhĂ€nge. Perfektes GelĂ€nde, um einfach mal Vollgas zu fahren, oder ganz entspannt aufzusteigen. Solche HĂ€nge sind zwar nichts fĂŒr Adrenalin-Freaks, aber eben total entspannend und das nicht nur, weil hier die Lawinengefahr meist viel entspannter istâŠ
Flach auslaufende, sich weitende HĂ€nge
SteilhĂ€nge, die sich nach unten weiten und flach auslaufen sind gĂŒnstiger als HĂ€nge oder Couloirs, die beispielsweise in GrĂ€ben oder Engstellen enden (siehe hierzu den Abschnitt GelĂ€ndefallen).
Im Falle eines Lawinenabgangs dĂŒrfte die Lawinenablagerung am flachen HangfuĂ weniger mĂ€chtig sein, sodass VerschĂŒttete hier oftmals weniger tief oder nur teilverschĂŒttet oder sogar ĂŒberhaupt nicht verschĂŒttet werden.
âSafe Spotsâ und âInseln der Sicherheitâ
Auch wenn man im winterlichen Gebirge das Wort âSicherheitâ mit allergröĂter ZurĂŒckhaltung benutzen sollte, verrĂ€t der Ausdruck zumindest, nach welchen Kriterien Haltepunkte oder SammelplĂ€tze ausgesucht werden sollten. Noch immer sieht man zu viele Wintersportler, die in riskanten SteihĂ€ngen anhalten, um dort zu warten. GĂŒnstige HalteplĂ€tze findet man auf erhöhten Kuppen, im Schutz groĂer Felsen oder auf RĂŒcken mit Abstand zum lawinengefĂ€hrdeten GelĂ€nde.
FĂŒhrerliteratur und (Spezial-)Karten als Planungsinstrument
Ein besonders sinnvolles Vorbereitungstool fĂŒr Skitouren sind die Beschreibungen aus Skitouren- oder FreeridefĂŒhrern sowie diverse Spezialkarten wie die Freeride Maps oder die Schweizer Skitourenkarten. Gut recherchierte FĂŒhrerliteratur bietet nicht nur tolle SkitourenvorschlĂ€ge, sondern man erhĂ€lt darĂŒber hinaus wertvolle Hinweise zu Gefahrenstellen und Tipps zu besonderen Schmankerln.
Die seit einigen Jahren erhĂ€ltlichen Freeride Maps kennzeichnen grob das fĂŒr Freerider fahrbare GelĂ€nde in den jeweiligen Gebieten. Skitourenkarten, z.B. die sehr empfehlenswerten Schweizer 1:50.000 Skitourenkarten von Swiss Topo bieten nicht nur die legendĂ€re QualitĂ€t der Schweizer Karten, sondern darĂŒber hinaus sind nahezu alle Skitouren eingezeichnet, die zusĂ€tzlich auch in den TourenfĂŒhrern des Schweizer Alpenclubs (SAC) beschrieben werden.
Viel SpaĂ und Erfolg bei der Tourenplanung wĂŒnschtDie Mountain Mastery Crew