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Welt der Wissenschaft | RĂĽckschau ISSW2018: Schneehydrologie, Nachhaltigkeit und Klimawandel

Was tut sich in der Schneewissenschaft?

von Lea Hartl • 23.01.2020
Poster Wrap Up

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ISSW 2018
Beim International Snow Science Workshop (ISSW) kommen alle zwei Jahre Wissenschaftler und Praktiker aus verschiedensten, aber immer schneebezogenen, Themenbereichen zusammen. Unterteilt in verschiedene Themenblöcke – sog. Sessions – werden neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse präsentiert. Wir untergliedern das Ganze nochmal in mehr oder weniger verdauliche Häppchen und fassen alle zwei Wochen Sessions der ISSW2018 für euch zusammen.

Diesmal: Snow hydrology, sustainability and climate change

Diese Session ist thematisch vergleichsweise breit angelegt und bietet recht unterschiedlichen Themenbereichen Raum. Während sich manche Beiträge mit großräumigeren Veränderungen der Schneedecke und ihren hydrologischen Charakteristika befassen, gehen andere tief ins Detail, etwa bezüglich spezieller Messmethoden oder neuer Modellierungsansätze. Um Nachhaltigkeit im üblichen Sinn geht es kaum, dafür gibt es einige etwas deplatziert wirkende Beiträge, die eventuell besser zu anderen Sessions gepasst hätten.

Schnee und Klimawandel

Seit 1880 ist die mittlere Temperatur im Alpenraum um 2°C angestiegen – das ist etwa doppelt soviel wie der globale Temperaturanstieg im gleichen Zeitraum. Während die steigenden Temperaturen eindeutig in den Messdaten und den Modellierungen der zukünftigen Entwicklung zu sehen sind, gibt es beim Niederschlag deutlich größere Unsicherheiten. In tiefen und mittleren Lagen fällt Niederschlag zunehmend als Regen statt als Schnee. In hohen Lagen sind wenig klare Trends bei der Schneemenge zu erkennen. Modellergebnisse vermuten gar eine leichte Niederschlagszunahme in bestimmten Regionen, was in ausreichend großer Höhe auch zu einer Schneezunahme führen würde (Gobiet et al., Climate Change in the Alps and its consequences for snow). Dabei werden sogenannte „Rain on snow events“ - Regen, der auf eine bestehende Schneedecke fällt – immer häufiger, da es öfter auch im Winter bis in hohe Lagen regnet (Juras et al., Effect of snow cover on hydrological response during rain on snow events).

Die Auswirkungen von Veränderungen in der Schneedecke sind vielfältig: Langfristige Verschiebungen im Ausaperungs- oder Einschneidatum, eine frühere Schneeschmelze und/oder geringere Schneehöhen haben zum Beispiel für den Wasserhaushalt der lokalen und regionalen Ökosysteme eine große Bedeutung (Wieser. The contribution of snowmelt to the annual waterbalance in the Tyrolean Alps). Die Samen bestimmter Pflanzen treiben aus bzw. auch nicht, je nach dem, ob der Boden schneebedeckt ist, mit entsprechenden Implikationen für landwirtschaftliche Erträge (Zhao et al., Effects of snow cover on seed germination for two species in Iron Mine Tailling, Cold Desert). Wenn mehr beschneit wird, weil natürlicher Schnee fehlt, verändert sich die Vegetation auf den Skipisten ( Bacchiocchi et al., Sustainability of small ski resorts and ski slope management under climate change in South Tyrol)

Unterschiedliche Länder und Gebirge, ähnliche Trends

Studien aus unterschiedlichen Regionen befassen sich mit beobachteten (schon passiert) und modellierten (passiert in der Zukunft) Veränderungen der Schneedecke aufgrund des Klimawandels. Eine modellbasierte Arbeit aus Japan erwartet beispielsweise signifikante Abnahmen der Menge an Neuschnee, der maximalen und mittleren Schneehöhen und der Tage mit Schneebedeckung auf Hokkaido, wobei unterschiedliche Klimamodelle im Detail unterschiedliche Ergebnisse liefern (Katsuyama et al., Global warming response of snowpack in Hokkaido, Northern Island of Japan).

In den italienischen Alpen ist besonders im Frühjahr ein Abnahme der Neuschneesummen und der Schneebedeckung zu beobachten. Im März und April liegt vor allem im Höhenbereich zwischen 800-1500m immer weniger Schnee und die Höhenlinie, ab der verlässlich mit Schnee gerechnet werden kann (von Dezember bis April mindestens 100 Tage mit mindestens 30cm Schneedecke – typische Kenngröße), ist um bis zu 300m angestiegen (Valt et al., Snow cover and climate changes in the Italian Alps (1930-2018)). Messdaten aus anderen Alpenregionen zeigen ein ähnliches Bild.

Eine Studie aus Russland versucht, Trends in der Anzahl von „extremen“ Schneefällen zu ermitteln und stellt fest, dass es zu wenig Daten zu diesem Thema gibt und dass es – auf Basis der nicht besonders guten Datengrundlage - tendenziell immer häufiger zu starken Schneefällen kommt, die Probleme für Verkehr und Infrastruktur nach sich ziehen. Dass es russische Arbeiten dieser Art in englischer Sprache in die internationale Forschungslandschaft schaffen, ist leider eher selten. Die Sprachbarrieren zeigen sich auch in diesem Fall spätestens in der kyrillischen Achsenbeschriftung der Abbildungen ( Fedotava, Extreme snowfalls in Russia).

Der Skalensprung vom globalen, mittleren Temperaturanstieg zu konkreten Auswirkungen auf die Schneedecke auf der lokalen Ebene ist alles andere als trivial und hier gibt es noch diverse Herausforderungen für die Modellierer. Am Beispiel des Chartreuse Massivs bei Grenoble wurde ein Versuch in diese Richtung unternommen und ein Klimamodell mit einem Schneedeckenmodell (Crocus) gekoppelt. Für einen globalen Temperaturanstieg von 1.5°C wird eine Schneedeckenabnahme von 25% auf ca. 1500M (Chartreuse) projiziert – für stärkere Temperaturanstiege entsprechend mehr (Morin et al., Linking Variations of meteorological and snow conditions in the french mountain regions to global temperature levels).

Durch Klimawandel weniger schneebedingte Naturgefahren im Siedlungsraum?

Durch Klimawandel weniger schneebedingte Naturgefahren im Siedlungsraum?

Hestnes et al.

Bestimmung des Ist-Zustands

Ebenfalls stark vertreten in der Session sind Studien, die sich weniger mit der Vergangenheit oder der Zukunft befassen, sondern vor allem mit dem Erfassen des Ist-Zustands der Schneedecke in unterschiedlichen Regionen. Auch das ist ja bekanntlich kein triviales Unterfangen und auch hier gibt es einerseits Beiträge, die sich mit Messdaten befassen, andererseits modellfokussierte Arbeiten, und natürlich Kombinationen aus beidem.

In Italien stellt man mittels großangelegter Datenauswertung fest, was man sich eh schon immer gedacht hat: Der Schnee in den maritimeren Regionen (Seealpen, Venetien, Julische Alpen) ist im Schnitt schwerer und dichter als der Schnee in den höheren, trockeneren Gebieten weiter weg vom Meer (Valt et al., Snowcover density and SWE in the Italian Alps).

In Afghanistan kann man von vor Ort gemessenen Schneedaten großteils nur träumen. Es gibt aber immer wieder große Lawinen, die Infrastrukturschäden anrichten und Siedlungen gefährden, daher ist ein rudimentäres Lawinenwarnsystem basierend auf Satellitendaten und Wettervorhersagen für die betroffenen Kommunen wichtig und sinnvoll. In diesem Kontext wird laufend versucht, die Modellierung von Schneewasseräquivalent und anderen Schneeparametern zu verbessern und die Modelle mit den wenigen vorhandenen Messdaten zu kalibrieren (Hamilton Bair et al., Using machine learning and snow water equivalent reconstruction to predict today's SWE and avalanche conditions in Afghanistan).

Satellitendaten finden natürlich nicht nur in Afghanistan Anwendung, sondern sind für großräumige Analysen von Schnee allgemein höchst wertvoll. Ob der Satellit aber wirklich immer sieht, was am Boden tatsächlich passiert, ist oft schwer festzustellen. Ein groß angelegtes Citizen Science Projekt versucht mittlerweile schon seit einigen Jahren ein bisschen Abhilfe zu schaffen und ruft auf, auf Tour Schneehöhen zu messen und zu melden. (Wikstrom Jones et al., Community snow observations (CSO): A citizen science campagin to validate snow remote sensing products).

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Sonstiges – nicht uninteressant, aber am Thema der Session vorbei?

Lawinen tragen mitunter einen wesentlichen Anteil zur winterlichen Akkumulation auf Gletschern bei, was wiederum Auswirkungen auf die hydrologischen Gegebenheiten im Einzugsgebiet hat (Lazarev et al., Estimation of accumulation from snow avalanches in the mountain glaciers).

Eine Gleitschneelawine, die eine Straße in Norwegen bedroht, wird seit einigen Jahren mit unterschiedlichen Methoden beobachtet und vermessen. InSAR (Radarinterferometrie) Monitoring scheint am praktischsten und am besten geeignet für ein operationelles Warnsystem (Humstad et al., The Stavbrekka glide avalanche in Norway – lessons learned after three years of monitoring).

Im Kunes Tal im chinesischen Tianshan gab es im Zeitraum 2011-2017 fĂĽnf bedeutende Lawinenereignisse, die mit Erdbeben in Zusammenhang gebracht werden. (Hao et al., Climatic factors triggering snow avalanche in Kunes Valley of Tianshan Mountains, China (kein ext. Abs)).

Poster Wrap Up

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ISSW 2018

Fazit

Die Beiträge dieser Session sind thematisch teilweise etwas durcheinander, aber zusammenfassend lässt sich festhalten: Klimatische Veränderungen haben Auswirkungen auf den Schnee und damit auch auf den Wasserhaushalt. Je wärmer es wird, desto höher steigt die Schneefallgrenze, mit entsprechenden Konsequenzen für die Dauer, Höhe, Beschaffenheit, etc. der Schneedecke. Genaue Modellierung von Veränderungen der erwähnten Parameter und relevanten Prozesse auf räumlich kleiner Skala ist schwierig, obwohl die großräumigen Trends eindeutig sind.

Nach wir vor ist es auch schwierig, herauszufinden, wie viel Schnee überhaupt liegt und wieviel Wasser er enthält. Man versucht, diese Frage mit unterschiedlichen Messmethoden sowie Modellansätzen zu beantworten, aber wer es wirklich genau wissen will, sollte selber Skifahren gehen und schauen, ob es schön staubt.

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