Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
News

Powder Magazine macht zu

Ende einer Ära

von PowderGuide 09.10.2020
Teaser des aktuellen Covers auf dem Powder Magazine Instagram Account.

Teaser des aktuellen Covers auf dem Powder Magazine Instagram Account.

Guy Fattal
Connery Lundin
Die legendäre US Zeitschrift Powder wird nach fast 50 Jahren eingestellt - sowohl das Printheft als auch das Onlinemagazin und die Social Media Kanäle. Der Herausgeber A360 Media schließt zudem die verwandten Actionsportmagazine Surfer, Bike und die Printversion von Snowboarder.

Jede Subkultur hat ihre Leitmedien, die außerhalb der speziellen thematischen Nischen kaum jemand wahrnimmt, die innerhalb ihrer Bubbles aber prägend sind. Für die Nische der Powdersportarten war das lange, nunja, Powder eben. Gerüchte über den nahenden Untergang von Powder verbreiteten sich zunächst über Twitter, wurden dann konkreter auf den Blogs und Social Media Pages diverser ehemaliger und aktueller Powderredakteur*innen und fanden schließlich Bestätigung in einem knappen Statement auf Powder.com: Ab Ende November erstmal alles dicht, Zukunft ungewiss.

Abgesehen von den Nischenleitmedien gab es auch immer schon die Nischenkommunikationskanäle, die dem Austausch zwischen Gleichgesinnten dienen – IRC Chats, Internetforen, die modernen sozialen Medien, ganz früher mal analoge Versionen davon: Stammtische, schwarze Bretter, Rauchzeichen. Derzeit wird in den wenigen verbleibenden Foren mit Powdersportbezug und mehr als zwei aktiven Mitgliedern darüber diskutiert, ob das Ende von Powder der Anfang vom Ende der Skiindustrie ist, oder einfach nur der natürliche Lauf der Dinge. Und vielleicht sogar längst überfällig?

Zwar war Powder immer in erster Linie eine Institution in den USA, aber auch hierzulande sind viele nostalgisch: Die Powder im Hebst im Briefkasten zu finden, weckte Vorfreude auf die Saison. Die Bilder schaut man immer wieder gerne an, die sind nicht sofort vergessen wie bei Instagram. Was soll man denn jetzt auf dem Klo lesen? Powder war Eskapismus und Traumfutter. Bei den besten Editorials hatte man das Gefühl: „Hier versteht mich jemand.“ Bei den schlechteren hatte man zumindest das Gefühl, dass sich jemand Gleichgesinntes bemüht, eine ansprechende Zeitschrift zu machen. Der frühere Powder Chefredakteur Steve Casimiro schreibt, die Zeitschriftenstapel in den Redaktionsarchiven waren für ihn immer ein Symbol für Optimismus und Hoffnung.

Am bezeichnendsten für die Bedeutung von Powder als „Influencer“ vor der Zeit der Influencer sind die kurzen Rückblicke auf eigene Lebensgeschichten, die zur Zeit durch die entsprechenden Ecken des Internets flattern. Sie stammen in erster Linie von der Generation, die schon alt genug ist, um im Rückspiegel einiges zu sehen und die in ihrer Sturm und Drang Zeit noch kein Internet hatte, sondern fanatisch Powder studiert hat auf der Suche nach den besten Spots und Ideen für die eigene Lebensgestaltung. Im Forum von Tetongravity Research schreibt jemand, er würde heute nicht mit in einem Skiort leben, wenn er als junger Erwachsener im Flachland nicht in Powder Geschichten über Skibums in Colorado gelesen hätte.

Bob Mazarei, mittlerweile selbst ein langgediente Szenegröße, schlüsselt eine ähnliche Geschichte auf Facebook chronologisch auf: In der Highschool in Kalifornien fing er an, Powder zu lesen. Die Leidenschaft war geweckt. Anfang der 1980er Jahre war er so oft es ging in Mammoth. Inspiriert von Powder fuhr er '83 zum ersten Mal nach Jackson Hole, lernte dort die legendäre Jackson Hole Air Force kennen, wurde selbst ein immer besserer Skifahrer. Irgendwann brachte Powder ein Fotospecial: Traumhafte Powdershots in einer mythisch wirkenden Landschaft. In der Bildunterschrift stand nur: „Verbier“. Er wusste damals nicht, was das sein sollte – eine Region, ein Skigebiet, eine Skimarke? Ohne Google geschweige denn Instagram-Geotags gar nicht so einfach, sowas heraus zu finden! '87 reiste er zum ersten Mal nach Verbier und traf dort Skibums, von denen er in Powder gelesen hatte und die zu engen Freunden wurden. 1991 hatte er endgültig genug vom Leben in L.A., kaufte ein One-Way-Ticket in die Schweiz und zog mit 5 paar Telemarkski, einem Snowboard, Zelt, Schlafsack, Klettersachen, $1000 auf dem Konto und ohne ein Wort französisch zu können nach Verbier. Er lebt dort heute noch mit seiner Familie.

Nachrufe auf Powder füllen derzeit die Social Media Feeds, dieser wird begleitet von einem Cover aus dem Jahr 1984 (Foto Marko Shapiro, Fahrer Ace Kvale)

Nachrufe auf Powder füllen derzeit die Social Media Feeds, dieser wird begleitet von einem Cover aus dem Jahr 1984 (Foto Marko Shapiro, Fahrer Ace Kvale)

Klar, Powder hatte schon lange nicht mehr die Relevanz von damals, aber ohne Powder wäre das Leben von Bob und so einigen anderen anders verlaufen. Man kann sowas im Nachhinein natürlich nie mit Gewissheit sagen, aber jeder kennt wohl den Schmetterlingseffekt der kleinen Impulsentscheidungen, basierend, zum Beispiel, auf einem Foto in einer Zeitschrift, die ungeplant zu Weichenstellungen fürs Leben werden. Und wenn eine Zeitschrift wie Powder so eindeutig daran beteiligt war, dann kann man sich schon mal mit einer gewissen Ehrfurcht vor einem untergehenden Szeneblatt verneigen, an vergangene Zeiten denken und nostalgisch werden.

In diesem Sinne: Thank you and good bye, Powder. Vielleicht steigt ja doch noch ein reicher Investor ein, oder die Mitarbeiter gründen was neues. Steve Casimiro bringt mittlerweile auch eine Printversion seines Onlinemagazins Adventure Journal heraus, Mike Rogge, ebenfalls vormals bei Powder, versucht gerade Mountain Gazzette neu zu beleben, und auch in The Ski Journal findet man häufig Beiträge von Fotografen und Autoren, deren Karrieren bei Powder angefangen haben. Wer nun also Alternativen zum Powder-Abo sucht, hat noch immer ein paar Optionen, schneeaffine amerikanische Nischenmagazine in der Printform zu unterstützen.

Kommentare