Zum Inhalt springen

Cookies 🍪

Diese Website verwendet Cookies, die Ihre Zustimmung brauchen.

Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
News

Freeriden in Japan? Heliskiing in Alaska? Bleibt zuhause!

Eine relativ ernst gemeinte Polemik zum Thema Reisen und Wintersport.

von Roman Bonderer 20.12.2018
Hubschrauber: Praktisch aber schlecht für den Kilmafußabruck

Hubschrauber: Praktisch aber schlecht für den Kilmafußabruck

LR
"Eure Posts muntern ständig zum Powdern auf der ganzen Welt auf. Was soll das!? Ich halte das angesichts der ökologischen Konsequenzen für fatal." Wir freuen uns immer über Leserfeedback, auch wenn es kritisch ist, wie diese Nachricht, die uns Roman kürzlich geschrieben hat. Wenn aus einer Facebook Nachricht dann eine sinnvolle Diskussion und ein ganzer Artikel entstehen, freuen wir uns umso mehr. PG-Leser Roman Bonderer kritisiert das widersprüchliche (Reise-)Verhalten vieler Wintersportler:

Die Menschheit hat ein grosses Problem. Es nennt sich Klimawandel. Wenn nicht tausende weltweit tätige ExpertInnen aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen komplett daneben liegen, rasen wir im Höchsttempo auf dramatische Veränderungen unserer Umwelt zu.

Wer außerdem in den vergangenen Jahren das Wetter etwas beobachtet hat und nicht völlig blind ist, merkt: Der Klimawandel ist nicht nur etwas, das in wissenschaftlichen Modellberechnungen existiert, sondern er ist längst real und prägt auch das Leben in unseren Breitengraden mehr und mehr.

Die Ursache? Bis auf ein paar irre Verschwörungstheoretiker zweifelt niemand mehr daran, dass primär der menschengemachte CO2-Ausstoss für den globalen Temperaturanstieg verantwortlich ist.

Die ganze Welt spricht folglich über den Klimawandel - darüber, wie man dessen schlimmste Folgen verhindern kann, und wer was dazu beitragen kann. Weltweite Klimakonferenzen, nationale PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, Privatpersonen, NGOs usw. zerbrechen sich den Kopf darüber, wie eine wirkungsvolle Klimapolitik aussehen könnte. Viele engagierte ZeitgenossInnen passen ihren Lebensstil an, NGOs versuchen unermüdlich, Gesellschaft und Politik für das Thema zu sensibilisieren. Erste politische Erfolge zeichnen sich ab, wenn auch viel zu langsam und viel zu zaghaft. Für vieles ist es bereits zu spät. Am Ende dieses Jahrhunderts, also in 80 Jahren, werden die Alpen eis- bzw. gletscherfrei sein.

Zahllose Menschen engagieren sich also – aus guten Gründen – im Bereich Klimaschutz. Sie reisen weniger, essen kein oder weniger Fleisch, benützen den öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad statt das Auto, isolieren ihre Liegenschaften oder versuchen allgemein, ihren (oftmals unnötigen) Konsum einzuschränken.

Eine Gruppe aber tut weiter so, als würde sie das Ganze nichts angehen: die OutdoorsportlerInnen. Sie fliegen nach Mallorca in die Wanderferien, nach Nepal zum Bergsteigen, nach Japan zum Freeriden, nach Brasilien zum Kitesurfen, nach Bali zum Wellenreiten, auf die Lofoten zum Klettern, nach Finnland zum Schneeschuhlaufen. Die Liste liesse sich beliebig verlängern. Ansonsten wird grundsätzlich mit dem Auto gereist, im Backcountry aber auch gerne mal ein Sled gemietet oder gleich ein Helikopter.

Hubschrauber: Praktisch aber schlecht für den Kilmafußabruck

Hubschrauber: Praktisch aber schlecht für den Kilmafußabruck

LR

Auch die Outdoorfilm-Industrie transportiert vor allem eine Botschaft: Richtig coole Freeskier und SnowboarderInnen reisen non-stop um die ganze Welt, lassen sich Mal für Mal mit dem Heli auf den Berg fliegen und rasen auf der Suche nach dem besten Spot mit dem Sled durch die Wildnis. Mit anderen Worten: „Geniesst ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt!“ Oder zugespitzt: „konsumiere, konsumiere, konsumiere!“

Ganze Szenen und die mit ihr verbandelte Produkte- und Reiseindustrie werben für entsprechende Angebote, das trifft nicht zuletzt auf powderguide.com zu. Man reibt sich verwundert die Augen: Gerade diejenigen, welche die Natur angeblich so lieben (man denke an die unsäglichen Intros der Filme!) und sie für ihre Hobbys schlicht brauchen, tragen mit ihrer verrückten Reiserei und ihrem Verhalten im Allgemeinen sehr viel dazu bei, genau diese Natur zu zerstören. Das ist in etwa so, wie wenn ich meiner (angeblich) Geliebten jeden Tag vor dem Frühstück ins Gesicht schlagen würde.

Gerade bei den WintersportlerInnen erreicht die Absurdität das maximale Level: Die Folgen ihres Verhaltens – die treibhausgasbedingte Erderwärmung – zerstört die buchstäbliche Grundlage ihrer Aktivitäten: den Schnee. Bis im Jahr 2100 wird es im Alpenraum unterhalb von 1200 kaum mehr Schnee geben. Die durchschnittliche Nullgradgrenze ist bereits heute 300 bis 400 Meter höher als vor 150 Jahren.

Was folgt aus dem Gesagten? Nun, viele von uns WintersportlerInnen sind Süchtige – und das meine ich im positiven Sinne. Süchtige sind aber nur ganz schwierig von ihrer Sucht abzubringen. Es steht schlicht zu viel auf dem Spiel: der Rausch des Powders, der ersten Linie. Es soll deshalb nicht darum gehen, jemanden vom Freeriden abzubringen.

Und um es vorwegzunehmen: Das Argument, dass man Outdoorsport grundsätzlich nicht klimafreundlich betreiben könne, es deshalb nur den Verzicht als Lösung gebe und alles andere heuchlerisch sei, greift wie immer zu kurz. Weniger Umweltbelastung ist nämlich immer besser als mehr Umweltbelastung. Auch Verweise auf andere, noch klimaschädlichere Sportarten kann man sich sparen. Whataboutism ist fehl am Platz, dafür ist das Thema zu ernst. Jeder und jede muss Verantwortung übernehmen.

Doch zurück zur Frage, was aus den obigen Feststellungen folgen muss. Dass beim klimaschädlichen Verhalten vor allem die Reisetätigkeit und dort insbesondere das Fliegen zur Sprache kam, ist kein Zufall. Zwar ist es schön und nett, wenn man vielleicht nicht gerade jede Saison eine neue Ausrüstung kauft oder auf den einen oder anderen Luxus verzichtet, aber solange man fliegt, hinterlässt man einen riesigen ökologischen Fussabdruck.

Denn die CO2-Bilanzen von Flügen sind verheerend. Der Ausstoss von Kohlendioxid ist um ein Vielfaches höher als bei allen anderen Verkehrsmitteln. Die Schweizer Zeitung Tagesanzeiger hat hier ein paar illustrative Vergleiche gemacht. Wer einen einfachen Vergleich will: Ein Flug nach Australien und zurück entspricht dem gesamten CO2-Ausstoss eines durchschnittlichen Schweizers. Besonders irritierend ist, dass gerade im Bereich Freeride ja immer Alternativen bestehen. Wer in den Alpen oder ihrer Nähe zuhause ist, kann viele Spots mit dem Auto, wenn nicht mit dem öffentlichen Verkehr oder mit Bus-Angeboten erreichen. Natürlich können diverse Gegenden in den Alpen etwa betreffend Niederschlagsmengen nicht mit Japan oder Teilen der Rocky Mountains mithalten, aber es sollte sich jedermann bewusst sein, was die Fliegerei für fatale Konsequenzen hat. Was heisst das für uns FreeriderInnen?

Ich möchte meine Ansichten in sechs Thesen bzw. Appellen zusammenfassen:

Anreise: halbe Stunde mit dem Bus. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

Anreise: halbe Stunde mit dem Bus. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?

LR
LH
  • Take care: Die Umweltschäden, die das Reiseverhalten von OutdoorsportlerInnen verursacht, müssen dringend enttabuisiert werden. Es ist angesichts der Folgen für die Umwelt absolut fatal, wie gering die Sensibilität für das Thema ist.
  • Don’t fly: Die Folgen der (Viel-)Fliegerei für die Natur und das Klima sind desaströs. Wem die Natur und das Klima nicht völlig am Allerwertesten vorbei gehen, verzichtet weitestgehend auf Flüge.
  • Stuff your car: Auf Flüge sollte für lange, aber auch für kurze Strecken verzichtet werden. Wer tatsächlich an einen weiter weg gelegenen Ort innerhalb Europas will, nimmt den Zug oder füllt zumindest ein Auto.
  • Take trains and busses: Der Autoverkehr verpestet die Umwelt ebenfalls. Auch wenn die Bilanz pro Person und Kilometer besser ist als beim Fliegen, allein der weltweite Strassenverkehr ist für über 17 Prozent des gesamten CO2-Austosses verantwortlich. Ergo: Auto zumindest gut füllen, oder noch besser: mit dem öffentlichen Verkehr anreisen.
  • Ride your local spot(s): Die Alpen haben eine Unmenge an Freeridemöglichkeiten zu bieten. Wer seine Region kennt, weiss das. Wer es nicht weiss, sollte sich informieren, statt nach Alaska zu fliegen.
  • Be patient: Die Preise für Reisen und Mobilität setzen völlig falsche Anreize. Gibt es keinen Schnee oder für meinen Geschmack zu wenig, reise ich halt dorthin, wo es Schnee hat. Dabei wird vergessen, dass wir es mit der Natur zu tun haben. Und die bleibt unberechenbar – und sie lässt es nun mal nicht immer gleich viel und gleich oft schneien. Darum: Wenn es mal länger nicht schneit – einfach cool und vor allem zuhause bleiben. Das Klima wird es euch danken.

Ähnliche Artikel

Kommentare