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News

Frauen, Snowboarder und Exoten

Zu Besuch beim European Women's Outdoor Summit

26.11.2017 von Lisa Amenda
Von 27. bis 29. Oktober 2017 fand in Flims/Laax der 1. European Women’s Outdoor Summit statt. Das waren drei Tage, 62 Outdoorsportlerinnen, viele Diskussionen, jede Menge Inspiration und die Frage: Sind Frauen im Outdoorsport tatsächlich anders als Männer? Lisa ist Texterin in der Outdoorbranche und bloggt auf wildrecreation.com unter anderem über Nachhaltigkeit im Outdoorsport. Für PG berichtet sie aus Flims.

Ganz ehrlich? Eigentlich war ich nie ein (Achtung, da ist es schon) großer Freund von übertriebenem gendern. Ich fühlte mich als Frau nicht missachtet, wenn beispielsweise im Studium Studenten statt StudentInnen in einem Dokument stand oder Skifahrer statt SkifahrerInnen in der Zeitung geschrieben wurde. Das war für mich kein Angriff gegen meine Person, mein Geschlecht oder sonst etwas. Meistens ist es doch auch einfach praktischer, das so zu schreiben. Ich wusste zwar, dass bis heute die Gleichstellung von Mann und Frau nicht so erfolgt ist, wie sie eigentlich sollte, aber ich persönlich war bis dahin nicht wirklich damit in Berührung gekommen.

Das erste Mal richtig ins Grübeln kam ich, als ich 2015 am Weißen Rausch in St. Anton am Arlberg teilnahm. Dass knapp 550 Teilnehmer zum Start in kleinere Startgruppen aufgeteilt werden müssen, ist mir mehr als klar. Nicht so klar ist mir, warum es knapp fünf Startblöcke für Männer gibt und die Starterinnen in eine Gruppe namens „Frauen, Snowboarder und Exoten“ gesteckt werden. In meiner ganzen sportlichen Laufbahn war das der erste Moment, in dem ich mich bewusst diskriminiert gefühlt habe. Was soll das sein, „Exoten“? Die Frage wurde mir an der Startlinie beantwortet: ich stand zwischen einem Herrn im Teddybärkostüm und einem Yeti. Das war es also? Als Frau in einem Massenstartrennen wird man mit Fabelwesen gleichgestellt?

Leichter, komfortabler, aber dafür in rosa

Dass Frauen seit jeher im Outdoorsport, vor allem wenn es um spezifische Frauenprodukte und das Konsumverhalten geht, differenziert betrachtet werden, ist bekannt. Das beste Beispiel sind da wohl Frauenski und –skischuhe: Gerne kommen hier Schlagwörter wie Leichtigkeit, Komfort und Wärme ins Spiel. Und ich weiß, wovon ich rede - als Verkaufsargument habe ich sie leider selbst schon benutzt. Aber schauen wir uns die Begriffe doch einmal genauer an: Leichtigkeit? Kann im besten Fall bedeuten, dass der Ski so gebaut ist, dass er auf leichte Materialien setzt, die viel zitierte Performance aber bitte nicht vernachlässigt. Bei Frauenski? Wird leider häufig nur auf Leichtigkeit gesetzt, Stabilität gibts ja in den Unisex-Modellen. Bei einer Körpergröße von 1,78 Meter habe ich mich noch nie viel mit Frauenski beschäftigt. In dieser Größe gibt es sie eh nie. Deswegen bleibt mir meist nur der Blick auf die frauenspezifischen Designs, während ich zum Unisex-Modell greife.

Kommen wir zu den Skischuhen. Komfort und Wärme finde ich hier interessante Begriffe und ganz ehrlich, die sind mir bei meinen eigenen leider völlig fremd. Als ehemalige Rennläuferin waren Skischuhe bei mir noch nie bequem und warm eigentlich auch nicht. Hinzu kommt, um nochmal auf meine Körpergröße zurück zu kommen, dass der Schaft von Damenskischuhen häufig kürzer geschnitten ist. Macht bei einer geringeren Körpergröße auch Sinn. Bei mir allerdings weniger, obwohl mir emsige Verkäufer auch schon solche Modelle andrehen wollten, der tiefere Schaft sei ja anscheinend etwas für die kürzeren Frauenbeine und so viel leichter zu fahren. Und nochmal: Ich bin 1,78 Meter groß, habe ziemlich lange Beine und stand in diesem Moment gerade persönlich vor dem zitierten Verkäufer.

Ein neues Frauenbild? Der 1. European Women’s Outdoor Summit

Das ist wohl der klassische Fall von Missverständnis. Oder Unterschätzung. Schließlich ist man(n) doch früher immer davon ausgegangen, dass frau z.B. nur Ski fährt, weil es ihr Freund oder Mann macht. Dass Frauen sich selbst besser bei Sportgeräten auskennen und nicht die kleine, leichte, mollig warme Variante in rosa (obwohl ich persönlich rosa sehr gerne mag) haben wollen, ist dagegen anscheinend neu. Diese Art von offensichtlichem „Missverständnis“ hat Anna Weiß und Hannah Röther dazu bewogen, zu fragen, wie es eigentlich um die Frau im Outdoorsport steht, so ganz generell.

Die beiden Mountainbikerinnen arbeiten schon seit vielen Jahren in verschiedensten Positionen in der Outdoorbranche und glauben, dass es Zeit ist für eine Veränderung: Sie wollen die Branche weiblicher machen und sind überzeugt davon, dass wir Frauen das Potenzial haben, Outdoorsport nachhaltiger, partizipativer, und vielfältiger zu gestalten. Dazu haben die beiden den 1. European Women’s Outdoor Summit von 27. bis 29. Oktober 2017 in Flims/Laax einberufen und zusammen mit 62 engagierten Sportlerinnen das (neue?) Frauenbild im Outdoorsport diskutiert.

Der Summit bestand aus Vorträgen von PR-Expertinnen wie Ulrike Luckmann, Sportwissenschaftlerinnen wie Sophie Knechtl, Athletinnen wie Sandra Lahnsteiner oder Ines Thoma und weiteren Frauen, die etwas bewegt haben, sei es in Form einer gegründeten Community, einer 60-tägigen Solo Alpendurchquerung oder indem sie Outdoorsport mit Handicap nicht nur betreiben, sondern leben. All diese Vorträge haben gezeigt, wie vielseitig wir Outdoorsportlerinnen und Frauen im Allgemeinen sind. Aber ist das ein neues Frauenbild?

Weg mit den Stereotypen

Eigentlich nicht, vielmehr sollte es darum gehen, und das war auch ein Ergebnis der Diskussionen, dass Frauen nicht in Stereotypen betrachtet werden sollten. Wir sind meist nicht diejenigen, die den Sport nur ausüben, weil es der Freund oder Mann macht. Wir lieben es, selbst unverspurte Lines zu fahren, die nächste Skitour zu planen oder ganz einfach wann immer es geht unsere Ski anzuschnallen und loszuziehen. Natürlich, Frauen sind anders als Männer und das nicht nur aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen, sondern auch häufig aufgrund ihres Charakters: Wir denken mehr nach, drängen uns nicht so häufig in den Mittelpunkt, machen weniger auf dicke Hose und überzeugen beispielsweise lieber mit Taten statt mit Worten zu prahlen. Aber das kann uns auch zum Verhängnis werden. Viele von uns lassen sich schnell verunsichern, glauben nicht in jedem Moment an ihre Fähigkeiten und stecken dann häufig gegenüber selbstbewussteren Männern zurück. Damit stehen wir uns oft selbst im Weg.

Crashing the boys party: Bloomers, ein sportartenübergreifendes Outdoormagazin für Frauen

Der European Women’s Outdoor Summit hat eines ganz deutlich gezeigt: Wenn man an sich glaubt, die Ärmel hochkrempelt und sagt „Ich mach das jetzt!“, dann funktioniert das fast immer und wird nicht nur akzeptiert, sondern von den Meisten sogar gefeiert. Ich kenne das aus meinem Freundeskreis auch so: Ich habe noch nie erlebt, dass ich von meinen männlichen Begleitern in den Bergen blöd angemacht wurde, weil ich etwas langsamer am Gipfel angekommen bin, eine andere Line gewählt habe, oder bei einem Wurzelstück auf einem Trail erst überlegen musste, ob ich mich das heute wirklich traue. Ich wurde immer respektiert.

Aber, das habe ich ebenfalls in Flims/Laax gelernt, es geht auch anders. Viele Frauen haben berichtet, dass sie schon auf Bergtouren von Männern beschimpft wurden, wenn sie langsamer waren oder an einer ausgesetzten Stelle Angst hatten. Und das geht wirklich gar nicht. Wie wäre es also, wenn man sich einfach freut, dass man zusammen in der Natur und den Bergen unterwegs sein kann? Und an die Frauen: Lasst euch nicht unterkriegen, sondern macht einfach weiter.

Genau diesem Motto folgen auch Anna Weiß und Hannah Röther. Denn der Summit war nur der Auftakt für ein neues Projekt: Bloomers, das erste europäische, sportartenübergreifende Outdoormagazin für Frauen. Und dabei geht es gar nicht darum, dass Frauen anders sind, sondern dass wir auch gerne etwas zusammen unternehmen, uns gegenseitig pushen und dass einfach mehr Frauen das Selbstvertrauen bekommen, in die Berge zu gehen, ihren Lieblingsoutdoorsport zu finden und draußen zu sein. Ganz ohne gendern und Stereotypen, sondern einfach weil es um den Sport an sich geht. Also, einfach machen, rausgehen und sich selber nicht so oft im Weg stehen, denn irgendwie sind wir doch im Outdoorsport alle nur Sportler, egal ob Skifahrer, Moutainbiker, Kletterer oder was auch immer – Frauen wie Männer.

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