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Interviews

PowderPeople | Manfred Oberegger & Albrecht Thausing

Steilwand Pioniere der Ostalpen

von Bernhard Scholz 24.12.2020
Albrecht Thausing und Manfred Oberegger

Albrecht Thausing und Manfred Oberegger

Archiv Oberegger, Thausing, Lapuch
Während Sylvain Saudan mit Steilwandabfahrten in den Westalpen zunehmende Berühmtheit erlangte, machten weiter im Osten Albrecht Thausing, Manfred Oberegger und Kurt Lapuch von sich reden. Nachdem sich Lapuch bei einer Befahrung ein Bein brach, waren vorwiegend Thausing und Oberegger gemeinsam unterwegs. Unter anderem geht die Erstbefahrung der Palavicini Rinne am Großglockner auf ihr Konto.

Bernhard Scholz betreibt den Blog skialpinist.com und arbeitet an einem Buchprojekt über die Geschichte des Steilwandfahrens, für das er ausführliche Gespräche mit den Größen der frühen und aktuellen Szene geführt hat. Er stellt uns das wunderbar heitere, oft überraschende, manchmal nachdenkliche Interview mit Thausing und Oberegger hier zur Verfügung. Wir wären bei diesem Gespräch auch gern mit am Tisch gesessen und wünschen viel Spaß bei der Lektüre!

B: Wie, wo habt ihr mit dem Skifahren begonnen?

ALBRECHT: Skifahren habe ich auf Holzski gelernt, ohne Kanten natürlich, die kamen erst später. Mit Bienenwachs wurden sie sehr schnell und das riecht auch so gut. Das muss man erlebt haben! Das war noch in der Steiermark wo ich ursprünglich her komme.

MANFRED: Bei mir war all das in Salzburg, hier komme ich her. Wir hatten da so einen schwarzen Baatz, „Hofer Blitz“ hieß der. Darunter den „Glockner Grundlack“, ein roter Grundierungslack der auf das Holz aufgetragen wurde. Den hat man ab und an angeschliffen und neu aufgepinselt, darüber wie gesagt das „Hofer Blitz“. Es war das einzige Wachs, das es damals bei uns gab.

ALBRECHT: Bei uns in der Steiermark gab es viele Bauern und wir hatten halt Bienenwachs. Das ging perfekt, wenn man es gut und lange aufgebügelt hat – hat aber nicht lange gehalten.

MANFRED: Nach dem Krieg haben wir am Mönchsberg hier in Salzburg unsere ersten Skiversuche gestartet, da gab es noch starke Winter. Natürlich waren wir auch am Gaisberg, den sind wir hinauf gelaufen, Lifte gab es nicht. Da steht lustiger Weise jetzt noch ein Schild: Skilift, den gibt es aber nicht mehr.

Die treibende Kraft im Bezug auf den Alpinsport war bei uns Kurt Lapuch, er ist leider 1999 in der Göll Westwand tödlich abgestürzt. Der Kurt war sehr aktiv und wir beide waren sehr viel mit ihm unterwegs. Klettern, Westalpentouren und auch Skitouren. Er war der kreative Geist, was die Steilwandabfahrten angeht und kam mit Vorschlägen wie: „da am Sonnblick, da wüsste ich was, das machen wir!“ und dann haben wir das gemacht. 1968 war das - ‘67 hatte ich noch ein gebrochenes Bein. Es ging gut, wir waren begeistert. Wie ein Pingpong Ball schossen dann die Ideen hin und her, was alles möglich wäre. Wer dann darauf kam, die Wiesbachhorn Nordwestwand zu fahren, weiß ich nicht mehr. Die ging auch gut. 

Kurt hat das dann gerne publiziert. Uns hat es natürlich auch gefallen; wenn man seinen eigenen Namen in der Zeitung gelesen hat, war das schon schön. Die Frau vom Kurt hatte Fotos am Fuscherkarkopf gemacht, damit Kurt sie veröffentlichen konnte. Aber die durfte ich niemandem zeigen. Sie hatte sie im falschen Winkel aufgenommen, sie hätte sie „übersteilt“ schießen sollen, aber sie hatte sie normal in der Wand geschossen und so sah alles sehr normal und unspäktakulär aus. Wir waren gegenüber den Veröffentlichungen etwas ambivalent, denn eigentlich hat sich das irgendwie „nicht gehört“. Wir hatten den ethischen Anspruch, nicht so dick aufzutragen, ganz im Gegensatz zu Kurt, der oft ordentlich Gas gegeben hat.  Prompt kam auch ein Anruf vom ORF für einen Film: Ski Extrem - Sonnblick Nordwand - ob wir noch mal fahren würden. Das haben wir gemacht.

Dann ging es mit Filmteam auf Tour. Damals hatten wir die Lusser Bindungen. Die waren furchtbar, da man bei voller Fahrt aus der Bindung geflogen ist. Sie hatten einen schlechten Ruf und wir mussten sie mit Draht fixieren. Kurt ist aber trotzdem bei dieser Befahrung am Sonnblick gestürzt, da die Bindung aufging. Er flog bis ganz hinunter und brach sich glücklicherweise nur ein Bein. Das war dann quasi der Grundstein für die weiteren Befahrungen von uns beiden, Albrecht und mir.

ALBRECHT: Als nächstes ist dann der Manfred auf die Pallavicini Rinne am Großglockner gekommen. In den Medien schrieben sie davon, dass ein Schweizer kommen würde um die Pallavicini Rinne zu befahren. Das war natürlich Sylvain Saudan. 

MANFRED: Der Saudan war einer der Gründer, noch vor dem Holzer, er war schon irgendwo unser Idol, zu dem haben wir damals aufgeschaut.

ALBRECHT: Aber wir dachten uns: „Ja sackradi, der braucht ja net extra von Frankreich da her fahren, wir hams ja viel näher!“

MANFRED: Fairerweise muss man auch sagen, dass vor uns schon zwei mit Firngleitern abgefahren sind. Anfang der 60er.

ALBRECHT: Herbert Zacharias und Gerhard Winter.

MANFRED: Anschließend wollten wir dann die Nordostwand am Piz Rosegg fahren und waren auch schon dort um alles auszukundschaften. Kurz darauf ist der Holzer aber genau da tödlich verunglückt und wir entschieden uns dagegen.

Vor all dem war aber noch die Monte Rosa Ostwand dran. Der Kurt und ich sind die gefahren. Eine tolle Abfahrt, wir hatte einiges Glück. Er ist über eine Spalte gesprungen und irgendwie ist er gestrauchelt und gefallen; es hat ihn umgedreht und er ist rückwärts kopfüber den Hang hinunter gerutscht. Nicht in einem Höllentempo aber schon zügig. Ich bin hinterher, um ihn herum, und konnte ihn aufhalten. Wir hatten das trainiert, auch Purzelbäume, Salti, Überschlagen und so weiter. Weil wir das so eingeübt hatten, fühlten wir uns recht sicher. Vom Tal aus haben sie uns mit Feldstechern beobachtet und dann später auch aufgeregt gefragt, welcher von uns beiden gestürzt ist.

Unten haben wir sogar Autogramme gegeben und die Musik hat uns empfangen. Die Leute im Ort waren fantastisch, wir wurden dorthin auch immer wieder mal eingeladen. Wir waren schon stolz auf unsere Leistung. 

Fünf Minuten nach unserer Abfahrt kam eine Lawine runter, ein riesen Ding. Ein Bergführer von dort wiederholte ständig: „Danket Gott, Danket Gott.“ Es hat schon ziemlich gekracht und gescheppert. Nur eine Woche zuvor war Sylvain Saudan das Marinelli Couloir gefahren. 

Nachdem am Monte Rosa alles vorbei war habe ich mich gefragt, ob das alles verantwortlich sei. Ich hatte eine kleine Tochter von fünf Monaten und stellte mir die Sinnfrage. Plötzlich war ich überhaupt nicht mehr so stolz. Einerseits war da natürlich schon der Drang und die Begeisterung für solche Unternehmungen, da wir ja wussten, dass wir es können, ein gewisser Geltungsdrang auch, das muss ich schon zugegeben und verniedlichen will ich es auch nicht, aber auf der anderen Seite dachte ich mir, dass die Tatsache, es für meinen Geltungsdrang zu tun, nicht gut wäre und habe daher für mich beschlossen, nichts mehr öffentlich zu machen. 

ALBRECHT: Ja, wir haben das damals diskutiert und es so beschlossen. Allerdings schickten wir die Befahrung der Pallavicini-Rinne dann doch an den Toni Hiebeler vom Alpinismus, damit zumindest in Fachkreisen bekannt wird, was geschehen ist, dokumentarisch sozusagen. Er hat es auch veröffentlicht.

MANFRED: Ähnlich geht es mir mit diesem Film über die Skiabfahrt vom Mount St. Elias. Das sind tolle Aufnahmen, ein schöner Film und die Bergsportler sind sicher sehr gut, aber die Aussage, dass man sich selbst nur spürt wenn man im Grenzbereich unterwegs ist, die kann ich nicht unterschreiben. Die Antwort auf die Frage, ob man so etwas braucht um sich am Leben zu fühlen, ist meiner Ansicht nach nicht schwarz/weiß. Wenn jemand es machen will, dann kann diesen sowieso niemand bremsen. Aber dies alles sozusagen als Droge zu nehmen, damit das Leben nah ist, halte ich für kontraproduktiv. Deshalb hat es mir bei dem Film auch teilweise den Magen etwas umgedreht. 

ALBRECHT: Zudem sahen wir auch, dass es wirklich gefährlich war. Am Sonnblick sind kurz nach uns zwei verunglückt und in der Pallavicini-Rinne ebenfalls, Eisgeher allerdings. Deshalb haben wir jedenfalls bei der Befahrung der Pallatsch (Idiom für Pallavicini-Rinne) nichts in die Zeitungen gebracht. Natürlich ist das verschweigen dann auch keine wahrhaftige Strategie, da es uns ja doch gefallen hat.

MANFRED: Einmal abrutschen und Du bist im Himmel ... Unsere Einstellung war, dass wir auf gar keinen Fall stürzen durften. Ein Sturz ist verboten – zum Glück hatten wir vorgesorgt. Aber man darf sich da keine Illusionen machen.

ALBRECHT: Die Göll Ostwand war quasi unsere erste gemeinsame Probetour. Oben an der Einfahrt war es wirklich pickelhart, wir standen ausschließlich auf den Skikanten, kein Einsinken der Ski. Das war technisch sehr schwer. Man muss richtig sicher fahren können. Skitechnisch war ich nie so gut wie der Manfred, ich war dann eher der Kamikaze Fahrer, da ich ihm ja irgendwie hinterher kommen musste. Aber wenn es steil ist, muss man nicht schnell fahren, sondern sicher, da hat das dann auch wieder gepasst.

MANFRED: Ja die Göll Ostwand, das war hart. Rattertrrrrrrbrrrrrrrrrr, da hats gerattert, dass einem die Plomben aus den Zähnen gefallen sind. Da waren wir die Pallatsch runter gefahren und dachten, da können wir ja locker runter ziehen – aber denkste. Ich bin sie ja inzwischen schon oft gefahren und so schwer ist sie nicht, oben ist es halt kurz steil. Aber dieses eine mal, huiuiui.

ALBRECHT: In der Pallavicini Rinne haben wir das ja auch gesehen. Oben, wo es noch steil ist, war es sehr hart, dann in der Mitte war es traumhaft zu fahren und unten hatten wir dann eine Harschschicht, durch die man nicht mehr durchgebrochen ist. Dort war dann wieder schwer zu fahren. Man musste bei jedem Schwung springen, um durch den Deckel zu brechen und guten Stand zu haben.

MANFRED: Elendig. Es gibt ja Bruchharsch den man fahren kann, weil er berechenbar ist, aber so einer, der mal bricht und mal nicht, das ist sehr anstrengend.

ALBRECHT: Immer tschak, tschak, tschak. Immer hüpfen, dann ging es schon. 

MANFRED: Haha, ja, und dann greift man immer mit der Hand an den Schnee, streift mit dem Handschuh, als könne man sich da irgendwie halten. Das machen alle so aber es bringt gar nix.

Albrecht Thausing und Manfred Oberegger

Albrecht Thausing und Manfred Oberegger

Archiv Oberegger, Thausing, Lapuch

B: Wie steil kann man fahren?

MANFRED: Schwer zu sagen. Bei der Wiesbachhorn Nordwestwand ist mir aufgefallen, dass man mit nur einem Schwung ganz schnell mal gut und gerne fünf Meter weiter unten steht. Da kommt man dann sehr schnell so richtig weit runter. Das ist ja auch gut so, da man auch die Fahrt bremst. Man carved ja nicht, man rutscht viel seitlich ab, um das Tempo unter Kontrolle zu halten. Aber das ist ein tolles Gefühl, das macht schon auch ein bisschen süchtig.

ALBRECHT: Hm, ich weiß auch nicht, vermutlich kann man wirklich sehr steil fahren wenn alle Begleitumstände egal sind.

MANFRED: Genau, aber wenn man nicht stürzen darf, dann sieht die Sache schon ganz anders aus.

ALBRECHT: Aber es hört dann schon auch schnell auf, wenn man in der Wand steht und das Knie schon bis unter die Brust reicht, dann ist es irgendwann körperlich kaum noch möglich, stabil zu stehen.

MANFRED: Die Grenze wird da schnell enger. Aber eins ist auch klar, je steiler es ist, sofern ich keine Angst haben brauche, desto leichter löse ich meinen Schwung aus. Nur kurz anstellen und rum, da braucht man fast nicht mehr abstoßen und schon bin ich ein gutes Stück tiefer.

B: Wie habt Ihr Euch vorbereitet?

MANFRED: Am Monte Rosa war ich drei Mal bevor es geklappt hat. Dann sind wir hoch geflogen. Der Dr. Junge von Kästle hat uns da gesponsert. Mit einer Cessna sind wir von Hohenems nach Sion geflogen, mit einer Pilatus hinauf, unter dem Balmenhorn hindurch, zur Margherita, ausgestiegen. Da waren dann zwei aus dem Flugzeug schon totkrank. Die waren so höhenkrank, dass sie kaum noch stehen konnten. Wir waren die Höhe natürlich gewohnt, blieben oben und fuhren Tags drauf ab. Aber drei Versuche waren notwendig.

ALBRECHT: Die Pallavicini hat dagegen sofort funktioniert. So wie das meiste. Wir kannten die Verhältnisse und die Routen, wir wussten also was wir taten. Eine spezielle Steilwandvorbereitung hatten wir bis auf das Sturztraining aber nicht.

B: Worin lag das Erlebnis bei Euch?

MANFRED: Die Abfahrt. Die war für mich immer das Wichtigste!

ALBRECHT: Das sehe ich etwas anders, für mich war die Zeit davor immer der absolute Wahnsinn. Ich bin auch viel weniger gefahren als der Manfred, normale Skitouren zwar, aber das kann man ja überhaupt nicht vergleichen. Und das Aufsteigen zum Gipfel war für mich persönlich das Allerschlimmste. Da hab ich mich so richtig gefürchtet. Wir sind ja viele schwere Klettertouren gegangen, aber da hab ich mich niemals so sehr gefürchtet. Gerade die Pallavicini-Rinne ist in meinem Kopf immer steiler und immer steiler geworden. Bis ich es für unmöglich gehalten habe. Dann sind wir vom Kleinglockner über die Scharte rüber und da konnte ich das erst mal hinunter schauen. In dem Moment ist mir ein richtig großer Stein vom Herzen gefallen und ich dachte mir: „Hah, wegen der habe ich mich so gefürchtet!? Na also, das wird gehen, das passt!“ Deswegen war für mich die Zeit davor auch so eindrucksvoll. Das Fahren selbst war dann natürlich super, nach dem ersten Schwung ging es immer.

B: Seid Ihr durch die Rinne aufgestiegen oder außen herum?

ALBRECHT: Meist über den Normalweg hoch.

MANFRED: Ja, auch am Monte Rosa. Da durch die Wand zu gehen ist ja Blödsinn, da man zwei Tage unterwegs ist. Wir haben einfach auf der Margherita übernachtet und gingen morgens hinüber, haben oben gewartet bis es aufgefirnt hatte und sind dann abgefahren. Aber wir haben vorher schon viel erkundet, haben die Route genau angeschaut. Die Vorbereitung ist schon auch eine tolle Zeit. Energie und Aufregung, das ist richtig gut. Aber das ist ja bei jeder größeren Sache so.

ALBRECHT: Richtig, von der ersten Idee bis es soweit ist, bis es stimmt.

MANFRED: Ja, die Vorbereitung. Das war ja damals ganz anders als heute. Ganz ohne Computer, Wetterberichte und so. Natürlich hatten wir schon auch eine Art Netzwerk in dem wir nach den Bedingungen gefragt haben, aber mit heute ist das gar nicht zu vergleichen. 

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B: Welche Ausrüstung hattet ihr?

ALBRECHT: Das war die Zeit der Kurzski. Vorher waren die ganz langen Skier mit weit über 2m angesagt, dann die kurzen als Tourenski. Meine waren 175cm.

MANFRED: Meine hatten 180cm. Das waren tadellose Ski, von Kästle!

ALBRECHT: Als Bindung so alte Backenbindungen mit einem Tiefzug und so Kabelzügen, die durch einen Hebel gespannt wurden. Eine Feder sorgte für die „Sicherheit“. Um sie zu blockieren, haben wir sie mit Draht blockiert, damit sie garantiert nicht auf geht. Wenn man stürzt, kann man auch gleich mit den Ski abstürzen, das macht dann keinen Unterschied mehr.

MANFRED: Dazu hatte ich dann einen Kastinger Plastikschuh. Die ersten Plastikschuhe die es überhaupt gab. Allerdings war die Firma ihrer Zeit mit den Schuhen weit voraus. Mir war der Schuh aber eigentlich zu gerade, also die Vorlage reichte mir nicht aus und ich habe ihn mir so modifiziert, dass ich meine Vorlage fahren konnte. Daraus habe ich dann auch ein Patent entwickelt, mit dem man den Schaft nach vorne neigen konnte und dann fixierte. Der Kastinger Senior hat mir das Patent auch abgekauft, aber ich weiß nicht, ob das jemals weiter verwendet wurde.

ALBRECHT: Bei meinen Schuhen konnte ich mir die Vorlage beliebig aussuchen: ich hatte noch alte Lederpatschen, nicht einmal besonders hohe zudem und auch noch wirklich alt und ausgelatscht. Zum Schnüren! Aber ich war keine anderen gewohnt, also ging es schon.

MANFRED: Wir sind mit dem gefahren, was wir hatten und haben mehr auf unsere Fähigkeiten als auf das Material vertraut. Der Albrecht war ein unglaublicher Bergläufer und Langläufer. Geierlauf, Wildsaurennen ... alles gewonnen. Mit Zeiten die auch heute noch super sind.

ALBRECHT: Entscheidend ist halt immer, dass man wirklich genug Kondition hat. Mir hat das viel Spaß gemacht und ich habe viel trainiert, ich trainiere bis heute.

MANFRED: 1982, da haben wir 6700 Höhenmeter gemacht und oben auf dem Hocheck waren wir mit Stirnlampen, sind abgefahren und uns kam einer um vier Uhr früh entgegen. Dem sagten wir dann: „spät bist dran heut, spät bist du dran!“ Der hat uns angeschaut, dass ihm die Augen aus dem Kopf gefallen sind.

ALBRECHT: Der Manfred geht viel zum Mountainbiken, da erlebt man auch kuriose Geschichten.

MANFRED: Vor ein paar Jahren war ich mit dem Fahrrad auf der Schlenkenrunde und traf eine Linzer Partie, auch so etwas ältere Herren wie wir, die sich lustig unterhielten. Wir setzten uns dazu, tranken etwas gemeinsam. Da erzählt einer von denen, was er vor Jahrzehnten in der Pallavicini-Rinne erlebt hatte. „Er war im Aufstieg als ihm etwas entgegen gekommen ist, das er nicht erkannte. Es waren zwei Skifahrer. Der eine kam zu ihm und meinte: „Was? Hier geht ihr zu Fuß hoch? Boah! Ist das nicht steil und anstrengend?“ Und weg war er ...“ Der Skifahrer, der war ich! 40 Jahre später haben wir uns wieder getroffen, ein Zufall.

ALBRECHT: Ja, das weiß ich auch noch gut, ich dachte mir gleich: „das ist wieder typisch Manfred“.

MANFRED: Nunja, das gehört schon mit zum Image.

B: Anschließend an die Pallavicini ist nie wieder etwas öffentlich geworden von euren Befahrungen. Habt ihr dann aufgehört oder einfach nichts mehr veröffentlicht?

MANFRED: Ja, da kam dann immer mehr die Sinnfrage. Anschließend daran habe ich auch nie wieder darüber gesprochen, auch nicht in meinem Beruf als Managementberater im Outdoor Bereich. Steilwandskifahren geht eher in die Richtung Risiko und das ist im Management überhaupt nicht gefragt. Wilder Hund – großes Risiko, das war da nicht gut. Inzwischen hat uns das auch quasi 30 Jahre lang in Ruhe gelassen bis das Team von ServusTV kam.

ALBRECHT: Da kam dann die Geschichte mit dem vermeintlichen Erstbefahrern hoch. Wir fuhren die Pallavicini Rinne und fragten uns, ob wir das veröffentlichen. Haben uns dagegen entschieden, nur im „Alpinismus“, damit Insider es erfahren. Ein paar Tage stand dann in den Zeitungen, dass ein Kärtner die Erstbefahrung der Pallavicini-Rinne durchgeführt hätte. Zwei Tage nach uns, das Datum stand dabei. Wir haben aber nie etwas unternommen um das richtig zu stellen, es war uns vor allem sehr unangenehm. Dann kam der Film von ServusTV und prompt haben sich Freunde von ihm gemeldet und sich beschwert, uns als „Falsche Erstbefahrer“ bezeichnet. Es war ja auch ganz knapp, nur zwei Tage, jedoch hat uns der Wirt von der Hofmannshütte zugeschaut und bestätigt unsere Befahrung als die Erstbefahrung.

MANFRED: Wir haben ihm nie einen Vorwurf gemacht und er hat das damals sicher nicht mit Absicht falsch veröffentlicht. Der Regisseur von dem ServusTV Film hat gar nicht glauben können, dass uns diese Veröffentlichung nicht wichtig war.

ALBRECHT: Um das zu verstehen warum wir nichts veröffentlicht haben, muss man wissen wie die Einstellung im Alpinismus bei uns damals war. Ich wohnte noch in der Steiermark und war viel Klettern. Wir packten unseren Rucksack nie öffentlich, wir haben uns hinter den Hütten versteckt wenn wir das ganze Kletterzeug ein und ausgepackt haben. Wenn man das vor allen dort, vor den Wanderern, Touristen gemacht hat, dann war man ein Angeber. Wenn man gefragt wurde, wohin man geht, sagte man: „Auf einen Berg“, außer man kannte denjenigen gut. Man musste sich alles aus der Nase ziehen lassen, da man sonst als Angeber gegolten hätte. So habe ich das damals jedenfalls empfunden und diese Einstellung hatten wir dann auch. Wobei das natürlich uns selbst gegenüber auch irgendwie „falsch“ war, da wir es ja schon super fanden, das zu können.

B: Euer Verhältnis? Freunde?

MANFRED: Ja, wir kennen uns schon sehr lange und hatten fast unser ganzes Leben lang Kontakt. Der wurde zwar auch mal weniger, aber wir haben schon immer etwas zusammen gemacht.

ALBRECHT: Insbesondere während meiner Leichtathletikzeit haben wir nicht so viel gemeinsam unternommen.

MANFRED: Oft waren wir zu Winterbegehungen unterwegs und fast jedes Jahr für ein paar Tage in den Westalpen, das schweißt zusammen.

ALBRECHT: Da gibt es Erlebnisse, die sich einbrennen, die vergisst man nicht mehr.

MANFRED: Darüber hinaus pflegen wir unsere Freundschaft auch auf einer sehr persönlichen Ebene, das ist gut.

B: Und wie war der Kurt?

MANFRED: Er war ein sehr kreativer Alpinist, hat viele Erstbegehungen gesucht, wir waren auch zusammen am Hindukusch um einen 7000er zu besteigen. Für so etwas hatte er den richtigen Riecher. Ein sehr guter Bergsteiger, aber gar kein so herausragender Skifahrer. Er konnte schon fahren, aber nicht übermäßig gut. Die große Kreativität und das sichere Beurteilen der Gesamtsituation zeichneten ihn aus. Was und wie macht man etwas, die Vorbereitung, das konnte er ausgesprochen gut. Er war der Ideenbringer und hat dann auch gerne darüber gesprochen, er hatte einen recht hohen Geltungstrieb. Also sagen wir es so: Schüchtern war er nicht. Wir haben schon auch verrückte Sachen gemacht. Winterbegehung der Westlichen Zinne: bei -27 Grad Celsius lagen wir in den Hängematten, da sind wir dann umgekehrt. Ich mochte Kurt sehr und vermisse ihn jetzt.

ALBRECHT: Ja, so geht’s mir auch.

Archiv Oberegger, Thausing, Lapuch

B: Wo geht die Reise des Steilwandskifahrens hin?

MANFRED: Es wird wohl gemacht werden, was irgendwie machbar ist. Das ist dem Menschen innewohnend. Die noch extremeren Herausforderungen werden sicher angegangen.

ALBRECHT: Genau so sehe ich es auch, wobei ich mich selbst nie an dem orientiert habe, auf keinem Gebiet. Meist dachte ich mir: besser einen Schritt zurück, eine andere Idee finden und ganz was anderes machen.

MANFRED: Wenn man mir vor 30 Jahren gesagt hätte, dass jemand alle drei großen Nordwände in den Alpen an einem Tag macht, hätte ich Haus und Hof dagegen verwettet. Aber es ging. Insofern: sag niemals nie!

ALBRECHT: Wir selbst waren nicht am Limit, da wäre schon noch mehr gegangen. Für die Zeit war es sicher progressiv, aber extremer ging es damals auch schon.

MANFRED: Mein Gefühl war immer, dass meine Vorstellung davon, dass ich nicht stürze, mich auch nicht stürzen lässt. Natürlich ist das eine Illusion, aber es hat funktioniert. Wir haben das Stürzen, Saltos, auf einem Ski fahren, zurück auf die Ski ja trainiert. Aber am Berg ausprobieren wollten wir es nie. Gerade das Einskifahren konnte ich gut. Nachdem ich mir ein Bein gebrochen hatte, konnte ich nur auf einem Ski fahren und habe es dadurch natürlich gelernt.

ALBRECHT: Am Untersberg haben wir das trainiert, mal mit dem rechten und mal mit dem linken Ski, zuletzt mit einem Ski und ohne Stecken. Da wird’s dann lustig ...

MANFRED: Da mussten die anderen schon sehr gut fahren können, um uns hinterher zu kommen, obwohl wir keine Stecken und nur einen Ski hatten! Man bekommt auch die entsprechende Muskulatur. Da war damals viel Übermut dabei, das war nicht ernst, wir hatten Spaß.

ALBRECHT: Selbst in der Pallavicini hatten wir Spaß, wir konnten viel über uns selbst lachen.

MANFRED: Ohjeh, ja, wenn ich mich daran erinnere wie sehr Du da gestunken hast vor lauter Angst. 

ALBRECHT: Mir war da eigentlich nicht zum Lachen zumute, aber der Gestank war wirklich fürchterlich. Ich glaubte, innerlich zu verwesen, da hat nichts mehr funktioniert.

MANFRED: Ich habe Dir gesagt: genau hier machst du einen Schwung. Und zack! Da hast du den Schwung gemacht und es ging. Von da ab hatten wir keine Probleme mehr mit der Abfahrt.

ALBRECHT: Genau. Vorher war das Skianziehen heikel. Da hatte ich den Gedanken, dass ich bloß nichts verlieren darf, das in den Abgrund fallen könnte ...

MANFRED: Anschließend haben wir noch oft darüber gesprochen, aber nicht indem wir von unseren Heldentaten geprahlt haben, eher mit einem Schmunzeln.

ALBRECHT: Vor allem auch weil es so relativ ist. Drüber gibt’s noch so viel, viel schwerer, viel riskanter, da brauchten wir uns gar nicht überlegen fühlen. Beim Klettern war ich viel mehr am Limit.

Am 28.03.2013 verstarb Manfred Oberegger durch eine Lawine in den südlichen Niederen Tauern. Noch mit 70 Jahren war er viel auf Skitouren und auch als „Freerider“ in den Skigebieten rund um Salzburg unterwegs – immer mit dem neuesten Material und bester Stimmung. Zweifellos hatte er zahlreiche Freunde und war der jungen Generation Bergsteigern fast schon eine lebende Legende, von der mit einer gehörigen Portion Respekt sowie mit viel Sympathie gesprochen wurde.

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