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Events

Skitouren-Rennen der Superlative: Die Patrouille des Glaciers | Report

Report von der 19ten Patrouille des Glaciers: Non-Stop von Zermatt nach Verbier

von Roger Fischer 12.05.2014
Patrouille des Glaciers
Nach jeder Patrouille des Glaciers hatte ich entschieden, dass das nun meine letzte Teilnahme an diesem extremen Skitourenrennen gewesen sein sollte. Doch wieder einmal konnte ich der Anfrage meiner Freunde Marc White und Daniel Huguet, ob ich mit ihnen die nächste Patrouille des Glacier absolviere, nicht widerstehen.

Nach jeder Patrouille des Glaciers hatte ich entschieden, dass das nun meine letzte Teilnahme an diesem extremen Skitourenrennen gewesen sein sollte. Doch wieder einmal konnte ich der Anfrage meiner Freunde Marc White und Daniel Huguet, ob ich mit ihnen die nächste Patrouille des Glacier absolviere, nicht widerstehen. 

Die Patrouille des Glaciers – (Massen)Skitourenrennen von Zermatt nach Verbier 

Streckenverlauf der Patrouille des Glaciers

Doch die Patrouille des Glaciers ist mehr als nur der Tag und die Nacht des Rennens. Meist ist es ein großer Teil der Wintersaison, die man für dieses Rennen investiert. Bei schönen Verhältnissen und Powder-Abfahrten ist die Vorbereitung ein Genuss, doch es gibt eben immer auch etliche „erzwungene“ Trainingstouren, bei Bruchharsch, Nebel und Sturm, wo auch einige Mal vor dem Gipfel umgedreht werden muss, will man nicht sein Leben aufs Spiel setzen. Eine meiner schönen Vorbereitungstouren war zum Beispiel die Tour auf das Wetterhorn, in einer Form, wie ich es noch nie bestiegen hatte. So startete ich mit meiner Freundin morgens um halb vier von unserem Wohnort Grindelwald, um zum Ausgangspunkt für die Wetterhorn-Skitour nach Rosenlaui zu gelangen. Dazu mussten wir zuerst noch die Grosse Scheidegg überwinden. Um viertel vor sechs kamen wir in Rosenlaui an und nahmen die rund 2500 Höhenmeter bei besten Pulverschneeverhältnissen in Angriff. Selbstverständlich stand dann nach der Tour auch der Rückweg wieder über die Grosse Scheidegg an. Nach 12 Stunden und 3800 Höhenmeter, jedoch in einem gemütlichen Tempo, und inklusive eines Stopps im Restaurant Schwarzwaldalp, erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt.

Die 19. Patrouille des Glaciers

Die ersten Wetterprognosen eine Woche vor der Patrouille des Glaciers sahen schlecht aus. Jetzt war es doch den ganzen Frühling warm und schön und nun kommt der Winter zurück…? War das ganze Training möglicherweise wieder umsonst? So wie vor zwei Jahren, als sich kurz vor dem Start mein Teamkollege auf einer Trainingstour das Kreuzband riss und unsere Teilnahme hierdurch unmöglich wurde?  In der Woche vor dem Rennen fiel im Hochgebirge ein ganzer Meter Neuschnee. Der Start musste daher um 24 Stunden von Freitag- auf Samstagabend verschoben werden.

Die Ausrüstungskontrolle hatten wir absolviert und unsere Rucksäcke waren gepackt. Um kurz vor sechs abends versammelten sich die Teilnehmer in der Kirche in Zermatt zur Predigt, zur Verkündung der letzten Informationen und zum Anhören von ein paar Worten von Politikern. Letztere wünschten uns Durchhaltewillen und Mut und ehrten die Tradition der Patrouille des Glaciers sowie die enorme Arbeit, welche die Schweizer Armee als Organisator der Patrouille des Glaciers investierte. Mit himmlischer Unterstützung und getragen von der Kraft der Nationalhymne, live vorgetragen von einer Kapelle der Schweizer Armee, sollten wir die enormen Anstrengungen, die vor uns lagen, bewältigen. Der Wetterbericht versprach Besserung, doch bis kurz vor dem Start regnete es weiterhin in Strömen.

Vor dem Start des Rennens gab es noch eine riesige Portion Nudeln und dann machten wir uns auf zum Start, wo nochmals alle Gegenstände, die mitgeführt werden müssen, überprüft wurden. Um 22 Uhr 30 ertönt der Startschuss, begleitet von einer musikalischen Inszenierung und angefeuert von Hunderten von Zuschauern. Wir starteten sehr schnell, rannten durch das ganze Dorf und ich drehte schon mal im roten Bereich, als wir in den steilen Wanderweg einbogen. Mit den Skiern auf dem Rucksack ging es hoch bis nach Stafel, wo nach gut einer Stunde die Skis angeschnallt werden konnten. Danach ging es bei Schneefall und Nebel weiter bis nach Schönbiel. Dort mussten wir uns für die Überquerung des Gletschers anseilen. Auf ca. 3000 Meter Höhe durchbrachen wir die Wolken und hatten einen klaren Sternenhimmel über uns, dafür wurde die Nacht, je höher wir stiegen, umso kälter. Bei einer Steilstufe im Gebiet des Stockji kam es dann zu einem kleinen Stau. Einige Läufer hatten Mühe den vereisten Aufschwung zu überwinden, ausweichen konnte man wegen der Spaltengefahr jedoch nur schlecht. Doch wir nutzen die 20minütige Wartezeit, um etwas zu essen und uns zu erholen.    Auf der Tête Blanche, mit 3650 m der höchste Punkt der Strecke, waren wir wegen fast gefrorener Finger kaum in der Lage die Steigfelle abzuziehen. Es war rund minus 15 Grad kalt und wir kämpften gegen den andauernden starken Gegenwind. Nun folgte die Abfahrt am Seil zum Col de Bertol. Nach einem kurzen Gegenaufstieg konnten wir uns wieder vom Seil lösen. Mein Teamkollege Marc hatte derart kalte und schmerzende Finger, dass ich ihm beim Lösen des Knotens und beim Entfernen der Felle helfen musste. Dann fuhren wir bis ins Dorf Arolla auf 2000 m ab, durch teils verfahrenen Pulverschnee, aber auch durch einigen Bruchharsch. Nach einer kurzen Verpflegungspause nahmen wir die nächsten 900 Höhenmeter Aufstieg zum Col de Riedmatten auf 2900 m in Angriff. Dort musste ein Engpass an Fixseilen überwunden werden, was wiederum zu rund 20 Minuten Stau führte. Hier stellte mein Teamkollege Daniel fest, dass er die Schrauben am hinteren Bindungskopf verloren hatte. Offensichtlich hatte er diese nicht stark genug angezogen. Wir versuchten mit Tape und Klebern noch etwas zu basteln und verloren wieder etwas Zeit. Für die ca. vier Kilometer lange flache Strecke entlang am Lac de Dix entschieden wir uns aufgrund der weichen Schneeverhältnisse die Felle zu befestigen. So brauchten wir deutlich weniger Kraft, doch hatten wir bei gefrorenen Verhältnissen vor vier Jahren die Strecke ohne Felle sicherlich 15 Minuten schneller zurückgelegt. Am Ende der Strecke wartete erneut ein Verpflegungsposten auf uns. Ich sehnte mich nach einem warmen Getränk. Denn der Tee, den ich in Arolla aufgefüllt hatte war inzwischen gefroren.

Nach einer Stärkung, etwas Schokolade und Energienahrung ging es weiter Richtung Rosablanche. Plötzlich verlor ich ein Fell. Der Kleber versagte aufgrund der großen Kälte. Aber wir hatten ja noch ein Paar Reservefelle dabei und so war ich froh, darauf zurückgreifen zu können. Die Beine waren inzwischen erschöpft, der Kampf begann. Langsam, Schritt für Schritt, aber stetig und ohne Pause kämpften wir uns den Berg hinauf. Dennoch überholten wir laufend andere Patrouillen (Anmerkung der Redaktion: bei der Patrouille des Glaciers werden die gemeinsam startenden Teams „Patrouillen“ genannt), die erst in Arolla gestartet waren und nur das „kleine“ Rennen bestritten. Das motivierte ebenso wie der prächtige Sonnenaufgang, der den Mont Blanc de Cheilon in rotem Glanz erstrahlen ließ. Aber es gab natürlich auch schnellere Läufer als uns. Immer wieder zischten Profi-Teams an uns vorbei, welche erst um drei Uhr nachts in Zermatt gestartet waren. Es ist für mich noch immer unbegreiflich, wie man die lange und schwere Strecke in rund sechs Stunden bewältigen kann. Kurz vor der Rosablanche wurden die Skis am Rucksack befestigt und es ging zu Fuß durch ein über 300 Höhenmeter langes, steiles Couloir hinauf. Oben wartete eine riesige Menge Zuschauer, viele hatten sogar hier auf 3400 m extra dafür biwakiert. Von weit unten hörten wir ihre Kuhglocken, Alphörner und Zurufe. Sie „zogen“ uns regelrecht den Berg hoch, auch wenn meine Batterien inzwischen mehr als leer waren.  Oben angekommen, und im Wissen, das Gröbste geschafft zu haben, kamen nicht nur mir die ersten Freudentränen. Auch bei meiner dritten Teilnahme ist dies wieder ein sehr emotionaler Moment. Die Leute boten uns Getränke und Kekse an, doch hatten wir kaum Zeit, fellten gleich ab und machten uns für die anstehende Abfahrt bereit. Im letzten Gegenanstieg zum Col de la Chaux, weitere 150 Höhenmeter, konnten wir die letzten Reserven aus uns herausholen. Mein Knöchel schmerzte, meine Schulter zwickte, meine Hüfte zog, meine… Aber auch hier standen wieder hunderte von Zuschauern, die uns anfeuerten und mich die Schmerzen vergessen ließen. Endlich geschafft, nun ging es nur noch hinab. Daniel hatte inzwischen den hinteren Bindungskopf ganz verloren und so übernahm Marc den defekten Ski und fuhr wie mit einer Telemarkbindung mit losen Fersen bergab. Am Pistenende in Verbier schnallten wir die Skis nochmals auf den Rucksack. Im Laufschritt nahmen wir den letzten Kilometer durch die Zuschauermenge, welche auf beiden Seiten der Straße versammelt war, unter die Füße. Es fühlte sich an wie ein Triumphmarsch. Das Ziel in Verbier haben wir in 12 Stunden und 15 Minuten erreicht und mein Höhenmesser kumulierte seit Zermatt immerhin stolze 4250 m. – Zwar blieben wir deutlich über meiner persönliche Bestzeit und unserer Richtzeit von 11 Stunden. Unter der Berücksichtigung der Verhältnisse und den verschiedenen Zwischenfällen war es für uns doch ein sehr zufrieden stellendes Ergebnis.

Nun wurde mit Bier angestoßen. Überwältigt von den Emotionen versuchte ich vergebens einige Freudentränen zu unterdrücken. Schön war es wieder, die Patrouille des Glaciers. Die Schmerzen und das lange Leiden waren mittlerweile schon vergessen. Und die Antwort, weshalb wir diese Strapazen auf uns nehmen, haben wir wiederum auf Rosablanche, am Col de la Chaux und auf der Zielgeraden gefunden. Doch wird es für mich nach dieser dritten Teilnahme nun definitiv das letzte Mal gewesen sein. Ich möchte noch ein paar andere Projekte verfolgen und der Trainingsaufwand den ganzen Winter hindurch ist sehr aufwendig. Doch wer weiß: diese Worte hatte ich nach der letzten Teilnahme vor vier Jahren auch schon gesagt… 

Video der Teilnehmer von der Patrouille des Glaciers

Fakten zur Patrouille des Glaciers

Die Patrouille des Glaciers ist ein außergewöhnliches Skitourenrennen, bei welchem die Teams in einer Etappe, je nach Kategorie, entweder die Strecke Zermatt – Verbier oder Arolla – Verbier absolvieren. Dieser einzigartige Wettlauf zeichnet sich durch seine Länge, seine große Höhendifferenz und das Profil der Strecke aus. Daran teilzunehmen verlangt nicht nur viel Erfahrung im Hochgebirge, sondern auch eine Beherrschung der extremen Bedingungen, eine umfangreiche psychische, körperliche und technische Vorbereitung. 2014 fand die 19. Patrouille des Glaciers  statt: Zwischen 1943 und 1949 fand das Rennen drei mal statt; seit 1984 findet die Patrouille des Glaciers nun alle zwei Jahre statt.

5316 Teilnehmer

Insgesamt waren 1.772 Patrouillen (= Teams) gemeldet mit insgesamt 5.316 Teilnehmern. Davon starteten 887 Teams auf der Strecke Zermatt – Verbier und 885 Patrouillen auf der Strecke Arolla-Verbier. Fast die Hälfte der Teams waren Militärpatrouillen. Rund 480 zivile Teams (1440 Personen) mussten auf Grund der Teilnehmerbeschränkung abgewiesen werden. Die Teilnehmer stammten aus 29 Nationen. Die Schweizer Teilnehmer machen 84% der Startenden aus. Es waren Militärpatrouillen von 10 ausländischen Armeen am Start. Aus allen 26 Kantonen der Schweiz war mindestens ein Teilnehmer gemeldet. Der Frauenanteil betrug 13,2 %. 16 Frauen starteten in einer Militärpatrouille. Personal und MaterialInsgesamt rund 1.500 Armeeangehörige waren bei der 19. Patrouille des Glaciers im Einsatz, die insgesamt 8.000-10.000 Diensttage leisteten.
Rund 210 Tonnen benötigtes Material (50 Lastwagen mit Anhänger).
13 geheizte Spezialzelte, als Unterkunft für die im Hochgebirge eingesetzten Armeeangehörigen.
40 Ärzte aufgeteilt auf 13 Streckenposten waren während der Patrouille des Glaciers im Einsatz. Insgesamt 16 Lawinenhunde waren zur Absicherung bzw. für eventuelle Unfälle bei der Patrouille des Glaciers im Einsatz.
Drei Meteorologen standen für die Patrouille des Glaciers während acht Tagen im Einsatz. Sechs Lawinenspezialisten vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos wahren für 15 Tage im Einsatz.
40 Köche bereiteten das Essen für die Teilnehmer und Helfer der Patrouille des Glaciers zu: alleine an den vier „Wettkampftagen“ werden 75.000 Mahlzeiten herausgegeben.

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