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Materialtests

Materialtest | Scott G1 130 Skischuh

Ein reinrassiger Freeride-Boot? Warum eigentlich nicht?

von Lukas Zögernitz 29.12.2014
Scott Sports
Mit dem G1 130 bietet Scott in der Saison 2014/15 einen waschechten, steifen Freeride-Boot mit Aufstiegsfunktion, bei dem aber klar die Abfahrtsperformance im Vordergrund steht. Wie sich diese Kombination in der Praxis bewährt und wie sich der Boot in seinem angedachten Einsatzbereich dem Freeriden – aber auch in vielen anderen Spielarten des Skifahrens – macht, haben wir ausgiebig getestet.

Der erste Eindruck

Sofort auffällig ist die gute Haptik des Scott G1 130: Material und Verarbeitung wirken hochwertig. Die Schale aus Elastollan fühlt sich etwas rauer an, als übliche glatte Kunststoffschalen. Auch gleich ins Auge springen einem die 4 Ergal-Schnallen, bei denen ein zusätzlicher Bügel verbaut wurde. Dieser soll verhindern, dass der Bügel der Schnalle beim Enger-Schnallen herausspringt. Da stellt sich schnell die Frage, wie oft das passiert und ob dann dieser Vorteil, den Nachteil beim Komplett-Öffnen der Schale (man muss den Bügel dann leicht anheben, um den eigentlichen Bügel herauszuziehen) wert ist. Im Praxiseinsatz zeigt sich aber schnell, dass man sich rasch an den kleinen Mehraufwand beim Öffnen gewöhnt und der zusätzliche Bügel beim Enger-Schnallen nach dem Liftfahren oder nach dem Aufstieg recht hilfreich ist. Von einem modernen Freeride-Boot würde man sich auch Tech-Inserts, oder zumindest Wechselsohlen mit solchen Inserts erwarten. Diese sucht man beim G1 130 aber vergeblich.

Der Innenschuh erinnert an jenen eines sportlichen Alpinschuhs. Er ist relativ dünn und aus eher härterem Material. Ein Schnürsystem ist nicht integriert. Die Form wirkt sehr an die Anatomie des Fußes und die Form der Schale angelehnt. Daher erinnert  der Innenschuh nicht, wie bei manch anderem Freeride Boots, an einen klobigen Moonboot. Das Gefühl beim ersten Probieren stimmt. Der Schuh passt und gibt guten Halt im Fersenbereich. Für einen Flex-Index von 130 fühlt sich der G1 130 nach vorne etwas weich an. Ein Vergleich ist hier aber immer schwierig, da der Flex-Index nicht normiert ist und von den Herstellern verschieden ausgelegt wird (ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit gibt diese Übersicht von TGR eine Idee wie weit die Flex-Angaben der einzelnen Hersteller auseinander liegen).

Schale, Wechselsohlen und Einstellmöglichkeiten

Die Schale verfügt über 4 Schnallen. Alle 4 Schnallen können über Micro-Schraubgewinde in der Länge angepasst werden und in 4 (die beiden unteren Schnallen) bzw. 5 Stellungen (die beiden oberen Schnallen) geschlossen werden. Der Strap ist aus dünnem, aber sehr beanspruchbarem Kunststoff gefertigt. Die Sohle besitzt ein Profil, dass den Einsatz bei kurzen Kletterabschnitten über Felsen ermöglichen soll. Im vorderen Teil der Sohle wurde der Bereich ausgespart, welcher bei entsprechenden Bindungen die seitliche Auslösung nach DIN ISO Norm erlaubt. Ist die Sohle vom Einsatz am Fels oder vom Spazieren am Parkplatz zu sehr abgenutzt, kann sie mit 13(!) Schrauben je Schuh gewechselt werden. Die Anzahl der Schrauben gibt einem zwar das gute Gefühl, dass Sohle und Schale fest verbunden sind, ob sich dann aber bei einem Tausch alle 13 Schrauben auch noch wirklich öffnen lassen, wird man sehen (oft kämpft man hier schon mit 8 Schrauben ganz ordentlich). Die Canting-Einstellung kann mit einem Imbus-Schlüssel verändert werden. Es stehen 2 Stellungen zur Verfügung. Der Geh-Mechanismus wird über einen Schieber mit Schlaufe auf der Rückseite des Schuhs aktiviert. Mit einer Schaft-Rotation von 25° fällt dieser aber recht bescheiden aus. Im Vergleich bietet ein ähnlicher Freeride Schuh, der Black Diamond Factor MX 40°, ein durchaus freeridetauglicher Touren-Schuh wie der Dynafit-TLT6 60°.

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Der Innenschuh

Der Innenschuh des G1 130 wirkt durchdacht und gut konzipiert. Er bietet einige Verstellmöglichkeiten. Die Zunge kann über einen Klettbereich bei den Zehen in verschiedenen Positionen am übrigen Innenschuh positioniert werden. Dadurch lässt sich der Abstand der Zunge vom Übergang zwischen Fußrücken und Schienbein so einstellen, dass hier beim Beugen des Fußgelenks keine Druckstellen entstehen. Über einen Spoiler im Bereich der Wade, der ebenfalls mittels eine Klettbereichs positioniert werden kann, lässt sich die Passform im Wadenbereich  anpassen. Dadurch wird eine Lücke zwischen Wade und Innenschuh vermieden, wodurch bei Bewegungen des Beins nach hinten kein Bereich ohne Kontakt mit dem Schuh entsteht. Zusätzlich kann man diese Einstellmöglichkeit nutzen, um etwas mehr Vorlage im Schuh zu erzeugen. Im Bereich des Fußgelenks sind auf der Vorder- und Rückseite des Innenschuh bewegliche Teile eingearbeitet, die die Bewegung beim Touren erleichtern. Der Innenschuh ist, wie bei Schuhen dieser Preisklasse eigentlich schon Standard, thermoanpassbar.

 Praxistest

Der Scott G1 130 ist steif genug, um auch großen und schweren Fahren genügend Kontrolle über breite und lange Ski zu ermöglichen (getestet mit Atomic Automatic 193 mit Atomic Tracker 16 und K2 Annex 118 in 188 mit Marker Tour F12). Von einem reinrassigen Freeride-Schuh war das auch so zu erwarten. Der beim ersten Eindruck etwas weiche Flex nach vorne fällt auch bei schnelleren Runs in verspurtem oder wechselhaftem Schnee nicht nachteilig auf. Wie auch bei vergleichbaren Freeride-Schuhen der letzten Jahre ermöglicht der, vielleicht eher subjektiv als weich empfundene, Flex dem Fahrer dosiert Druck auf die Schaufel aufzubauen. Nach hinten bietet der Boot aber den Halt, den es braucht, um auch einmal aus höheren Geschwindigkeiten schnell zu bremsen. Seitlich und im Bereich der Ferse hält der Schuh alles dort, wo es sein soll. Auch auf Alpin Ski (Atomic GS FIS 183) macht der Boot eine gute Figur. Etwas komisch fühlt es sich jedoch hier an in einer reinrassigen Alpinbindung zu stehen und am vorderen Bereich des Schuhs keine glatte Fläche zum abgleiten auf der Bindung bei seitlicher Auslösung zu haben.

Manchmal verschlägt es auch einmal Freerider in Parks; oft sind dann aber harte Freeride-Schuhe ein echter Spaßverderber. Mit dem Scott 130 wird man zwar sicher kein Jib-Kid, aber ohne den Spoiler und mit nur leicht geschlossenen Schnallen, lassen sich auch ein paar Parkrunden ganz passabel abspulen. Beim Touren bemerkt man dann doch schnell, dass der Boot abfahrtsorientiert ausgelegt wurde. Durch das Gewicht und die eingeschränkte Schaftbeweglichkeit sind wirklich lange Touren zwar möglich, aber doch recht mühsam. Das Fehlen der Tech-Inserts relativiert sich dadurch etwas. Bei Skiern, bei denen der G1 130 seine Vorzüge ausspielen kann (lang, breit, steif), werden wenige auf klassische Pin-Bindungen vertrauen. Kurze Hikes sind problemlos möglich. Die Profilsohle gibt genügend Halt, um auch einmal kurze Kletterpassagen im Fels zu meistern. Einzig der verwendete Kunststoff wirkt etwas härter und daher nicht ganz so rutschfest wie z. B. Vibram Sohlen.

Nach ca. 25 Tagen mit dem Schuh zeigen sich an der Schale zwar erste Abnützungsspuren: Diese halten sich aber in Grenzen und sind in einem vertretbaren Rahmen. Der Innenschuh hat auch nach längerem Einsatz noch eine gute Passform und keine Druckstellen entwickelt. Dadurch, dass der Innenschuh etwas dünner und härter ausfällt, hält er nicht so warm.  Weiters empfiehlt es sich, die unterste Schnalle nur selten zu öffnen. Macht man dies bei jeder Liftfahrt oder beim Touren auf, reicht die Dichtung der Schale zum Innenschuh nicht aus und es gelangt Schnee zwischen Schale und Innenschuh.

Tove Kockum
Lukas Zögernitz

Fazit

Der Scott G1 130 ist ein klar abfahrtsorientierter Freeride-Skischuh: Material und Verarbeitung sind hochwertig. Die verschiedenen Einstellmöglichkeiten machen den Schuh gut anpassbar, sowohl an den Fahrer als auch an den Einsatzbereich. Vor allem der Innenschuh sticht heraus: so stellt man sich den Innenschuh eines steifen Boots vor, kompakt und an Schale und Anatomie angepasst. Die größten Abstriche muss man mit dem G1 130 sicher im Aufstieg machen. Durch eingeschränkte Schaftrotation, Gewicht und fehlende Tech-Inserts gestalten sich lange Touren recht anstrengend. Die fehlenden Tech-Inserts relativieren sich jedoch etwas, durch den präferierten Einsatzbereich des Boots auf lange Freeride- bzw. Big Mountain-Ski. Setzen sich Bindungen ähnlich der Marker King Pin oder Systeme ähnlich dem von Cast durch, bei denen nur Inserts im Zehenbereich benötigt werden, stellen Boots ohne Inserts aber einen klaren Nachteil dar. Bei einem Skitouren-Rennen oder einer Transalp wird man mit dem Scott G1 130 zwar nicht glänzen, ist man aber auf der Suche nach einem hochwertigen, steifen Freeride-Boot, mit dem sich kurze Touren oder Hikes gut meistern lassen, liegt man genau richtig.

Features:
- Gewicht**: 5,1 kg (Herstellerangabe: 4,9 kg [Größe 27])
- Flex*: 130
- Beweglichkeit Schaft im Walk-Modus*: 25 Grad
- Wechselbare WTR-Außensohle gemäß ISO Norm 9523
* Herstellerangabe – es gibt keine Normierung beim Flex Index!
** beim Testmodell Größe 29 gemessen

Schale:
- POWERFIT Technologie mit verstärkter Schaft
- Leistenbreite: 97 mm
- Material Schale: Elastollan
- Vorlage: 13°
- Canting-Einstellung
- Verschluss: 4 verstellbare Ergal-Micro-Schnallen + Power Strap

Innenschuh:
- Thermo-Anpassung mit EVA THERMO Ultralon Technologie
- Integrierter flexibel Bereich am Innenschuh
- Verstellbare Velcro-Zunge
- Verstellbarer Spoiler

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