Die Ausgangslage
Viele andere Austauschstudenten in Trondheim hatten sich für einen Flug nach Tromsø und Urlaub in Lyngen entschieden. Uns - einem Spanier, zwei Bayern und einem Schwaben - stand glücklicherweise ein VW-Bulli namens Osskar zur Verfügung. Ein Vergleich der Fahrtzeiten (1 Tag Lofoten vs. 1½ bis 2 Tage Lyngen) legte lang vor Abreise die Lofoten als Ziel fest. Auf unserer Liste ganz oben standen natürlich Skitouren und unsere spärliche Planung zielte auf eine hohe Ausbeute derselben abDie Fähre nach Moskenes, die westlichste Insel der Gruppe, war schon lang reserviert und so würden wir unseren Trip im schneelosesten Teil der Lofoten starten. Im Detail geplant hatten wir ansonsten sehr wenig, um uns möglichst große Freiheit in der Aktivitätenwahl zu bewahren. Tourentipps recherchieren, Karte kaufen und sie etwas einstudieren - das waren neben Packen und Lebensmittel kaufen unsere einzigen Vorab-Erledigungen. Angesichts des extrem unzuverlässigen Wetterberichts (der quasi sogar in der Rückschau auf die vergangenen Tage daneben liegt) lohnt sich eine genauere Planung in den meisten Fällen auch nicht und führt schnell zu Enttäuschungen.
Von 0 auf 100
Nach einem vollen Tag Anreise und einer ersten Nacht in Hütte bzw. Zelt bestätigten sich die Befürchtungen: Fast kein Schnee mehr auf Moskenesøy und Flakstadøy, großteils nur ‚dust on rocks‘. Schade, denn hier im Westen ist die Kombination von Meer und Bergen mit am schönsten.? Die Fahrt nach Osten dominierten wie schon am Vortag unsere dämlich staunenden Gesichter, als sich hinter jeder Kurve noch formschönere Spitzen, Blöcke, Steilwände, Strände und Couloirs zeigten. So begab es sich, dass wir es schon eine halben Stunde nach Abfahrt von unserer Nächtigungsstätte (Selfjordhytta) nicht mehr aushielten und im Örtchen Vareid parkten, ein machbares Couloir vor der Nase und das Meer im Rücken. ?Die lange Warmphase Mitte März hatte viel heikles Gelände abgeräumt, so fanden wir die Rinne gut gefüllt mit zusammengefrorenem Lawinenschnee vor, plus einer dünnen Lockerschneeauflage. Außerhalb von solchen Rinnen war Wintersport aber hier nicht mehr möglich. Die eigentlich nur zur Sicherheit ausgeliehenen Pickel kamen also gleich am ersten Tag zum Einsatz. ?Wir gehen davon aus, dass wir das Couloir zuerst befahren haben und machen das auf diesem Wege öffentlich. Die Rinne soll ab sofort den Namen ‚Kari-Enge-Couloir‘ tragen, zu Ehren der sehr hilfsbereiten Erasmus-Ansprechpartnerin der NTNU Trondheim. Den Erstbefahrer-Status geben wir nur nach Hervorbringen entsprechender photographischer Gegenbeweise ab.
Der Tag klang dann bei bestem Wetter, einer gemütlichen Tour durch die Hauptrinne des Guratinden (nahe Leknes) und einer nicht ganz so gemütlichen Nacht am Surferstrand Kvalvika aus. Letzteren kennt man auch aus dem Film ‚North of the Sun‘. Die von den Surfern erbaute Treibgut-Hütte steht noch und bietet – sofern man sie in den Felsen findet – trockene Unterkunft und einen Wetsuit (Größe M, fällt eng aus). Benni hatte also sein Surfboard nicht umsonst in die nicht ganz mühelos erreichbare Bucht geschleppt. Am Vormittag (verpennt) konnte er es erstmals nördlich des Polarkreis verwenden.? Was für ein Einstand.