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Die Lofoten sind für die meisten Alpenbewohner schon länger kein Geheimtipp mehr – aber immer noch ein Highlight für jeden Kontinentalskifahrer. Die Osterzeit eignet sich mit langen Tagen und Schneesicherheit gut für eine Reise ins steile Inselreich. Aber Low-Budget? In der unbezahlbaren Schweiz des Nordens? Ja, das funktioniert – etwas Glück, Geschick und Gefährt vorausgesetzt. Vier kälte- und geruchsresistente Studenten haben es ausprobiert.
Die Lofoten sind für die meisten Alpenbewohner schon länger kein Geheimtipp mehr – aber immer noch ein Highlight für jeden Kontinentalskifahrer. Die Osterzeit eignet sich mit langen Tagen und Schneesicherheit gut für eine Reise ins steile Inselreich. Aber Low-Budget? In der unbezahlbaren Schweiz des Nordens? Ja, das funktioniert – etwas Glück, Geschick und Gefährt vorausgesetzt. Vier kälte- und geruchsresistente Studenten haben es ausprobiert.
Viele andere Austauschstudenten in Trondheim hatten sich für einen Flug nach Tromsø und Urlaub in Lyngen entschieden. Uns - einem Spanier, zwei Bayern und einem Schwaben - stand glücklicherweise ein VW-Bulli namens Osskar zur Verfügung. Ein Vergleich der Fahrtzeiten (1 Tag Lofoten vs. 1½ bis 2 Tage Lyngen) legte lang vor Abreise die Lofoten als Ziel fest. Auf unserer Liste ganz oben standen natürlich Skitouren und unsere spärliche Planung zielte auf eine hohe Ausbeute derselben abDie Fähre nach Moskenes, die westlichste Insel der Gruppe, war schon lang reserviert und so würden wir unseren Trip im schneelosesten Teil der Lofoten starten. Im Detail geplant hatten wir ansonsten sehr wenig, um uns möglichst große Freiheit in der Aktivitätenwahl zu bewahren. Tourentipps recherchieren, Karte kaufen und sie etwas einstudieren - das waren neben Packen und Lebensmittel kaufen unsere einzigen Vorab-Erledigungen. Angesichts des extrem unzuverlässigen Wetterberichts (der quasi sogar in der Rückschau auf die vergangenen Tage daneben liegt) lohnt sich eine genauere Planung in den meisten Fällen auch nicht und führt schnell zu Enttäuschungen.
Nach einem vollen Tag Anreise und einer ersten Nacht in Hütte bzw. Zelt bestätigten sich die Befürchtungen: Fast kein Schnee mehr auf Moskenesøy und Flakstadøy, großteils nur ‚dust on rocks‘. Schade, denn hier im Westen ist die Kombination von Meer und Bergen mit am schönsten.? Die Fahrt nach Osten dominierten wie schon am Vortag unsere dämlich staunenden Gesichter, als sich hinter jeder Kurve noch formschönere Spitzen, Blöcke, Steilwände, Strände und Couloirs zeigten. So begab es sich, dass wir es schon eine halben Stunde nach Abfahrt von unserer Nächtigungsstätte (Selfjordhytta) nicht mehr aushielten und im Örtchen Vareid parkten, ein machbares Couloir vor der Nase und das Meer im Rücken. ?Die lange Warmphase Mitte März hatte viel heikles Gelände abgeräumt, so fanden wir die Rinne gut gefüllt mit zusammengefrorenem Lawinenschnee vor, plus einer dünnen Lockerschneeauflage. Außerhalb von solchen Rinnen war Wintersport aber hier nicht mehr möglich. Die eigentlich nur zur Sicherheit ausgeliehenen Pickel kamen also gleich am ersten Tag zum Einsatz. ?Wir gehen davon aus, dass wir das Couloir zuerst befahren haben und machen das auf diesem Wege öffentlich. Die Rinne soll ab sofort den Namen ‚Kari-Enge-Couloir‘ tragen, zu Ehren der sehr hilfsbereiten Erasmus-Ansprechpartnerin der NTNU Trondheim. Den Erstbefahrer-Status geben wir nur nach Hervorbringen entsprechender photographischer Gegenbeweise ab.
Der Tag klang dann bei bestem Wetter, einer gemütlichen Tour durch die Hauptrinne des Guratinden (nahe Leknes) und einer nicht ganz so gemütlichen Nacht am Surferstrand Kvalvika aus. Letzteren kennt man auch aus dem Film ‚North of the Sun‘. Die von den Surfern erbaute Treibgut-Hütte steht noch und bietet – sofern man sie in den Felsen findet – trockene Unterkunft und einen Wetsuit (Größe M, fällt eng aus). Benni hatte also sein Surfboard nicht umsonst in die nicht ganz mühelos erreichbare Bucht geschleppt. Am Vormittag (verpennt) konnte er es erstmals nördlich des Polarkreis verwenden.? Was für ein Einstand.
Nach den ereignisreichen ersten Tagen mussten wir es etwas ruhiger angehen lassen, zelteten aber nochmal draußen, diesmal am Strand von Unstad, ca. 2 Autostunden weiter östlich. Hier muss erwähnt werden, dass zehn Tage reines Campen mit unserem Equipment sehr unangenehm geworden wären, vor allem weil eines unserer 2 Zelte bestenfalls für die drei warmen Jahreszeiten ausgelegt war. So kam es sehr gelegen, dass wir zumindest das Essen (Mittag- und Abendessen fielen meist zusammen) im Bedarfsfall immer in den ausgeräumten Bus verlegen konnten, wo es zwar auch frisch, aber windstill war.? An Tag 3 bis 5 stand dann – wie direkt nach Ankunft schon – ein längerer Aufenthalt in einer der DNT-Selbstversorgerhütten an; jetzt waren wir schon in der Gegend um Svolvær. Hier ist die Schneelage üblicherweise besser und auch in diesem Jahr war eine gute Basis bis (fast) auf Meereshöhe vorhanden. Die Hütte selbst, genannt‚ Nøkksetra, gelegen auf sagenhaften 249 Metern Höhe, präsentierte sich außen tief winterlich und innen genau so wie eine Hütte sein soll - warm, wohlig, sofort nach Betreten wie ein Zuhause.
Die Wettervorhersage für den nächsten Tag war gut – was uns angesichts der letzten Tage, die alle schlecht vorhergesagt und dann schön gewesen waren – das schlimmste befürchten ließ. Und so kam es, dass der geländemäßig vielleicht vielversprechendste Tag rund um die Hütte (viel Steiles, aber auch einige ‚lawinensichere‘ Varianten) als downday in der Hütte endete; abgesehen von einer Sonnenaufgangs- und einer Schnaps-aus-dem-Auto-hol-Tour. Der Zustiegs- und der Abfahrtstag waren dagegen aber erste Sahne.? Letzterer, der Gründonnerstag, war gleichzeitig auch der Tag mit den meisten Höhenmetern, denn nach Abfahrt von einem Nebengipfel der Hütte ging es, unterbrochen durch kurze Autofahrt, mit den Gipfelgeschwistern Torskmannen (755) und Breitinden (672) weiter; bei unverhofftem Traumwetter, wohlgemerkt. Man merkt, dass bei Berge beliebte Tourenziele sind: Es waren vergleichsweise viele Leute und auch geführte Gruppen unterwegs, und das lag nicht nur am Beginn der Osterfeiertage. Generell scheinen die Berge nahe Svolvær stärker bevölkert zu sein als weiter im Westen.
Am Abend war es dann soweit: Nach 5 Tagen waren wir durch und bereit, für Trockenraum und Küche (Hütte nicht mitgezählt) 250 Kronen auszugeben. Und wer schonmal im Winter campen war, weiß, wie schön eine heiße Dusche sein kann, koste sie Extramünzen, so viele sie wolle. Warm und weichgespült schläft es sich dann auch im Zelt bei klarer Nacht und strengem Frost wieder angenehmer.
Nach der Halbzeit unseres Trips hatte der Wetterbericht erstmals Recht und der Schneesturm – leider mit viel Sturm und nicht so viel Schnee – kam wie prophezeit. Deshalb stiegen wir am Runtinden (ebenfalls bekanntes und schönes Tourenziel) nur zweimal jeweils bis zur Baumgrenze auf, denn unser zierlicher Spanier drohte im Wind abzuheben. Psychologisch verkauften wir uns die Abfahrt im schweren Schnee als Techniktraining für den Geitgallen, den mit 1085m höchsten fahrbaren und berühmtesten Skiberg der Lofoten. Er war uns mehrmals von diversen Seiten empfohlen worden und besonders vor dem Hintergrund der steigenden Temperaturen versprachen die Hochlagen noch frischen Pulvergenuss. Leider wurde der Wind bis zu unserer Abreise immer stärker, an die Tour war nicht zu denken. Schade, aber der läuft ja nicht weg.
Ursprünglich wollten wir die Lofoten von West nach Ost durchqueren und die Rückreise ohne weiteres Übersetzen per Fähre (außer eine ganz kurze obligatorische) durchführen (Svolvær – Narvik 240km, Narvik – Trondheim 900km, Tempolimit 80km/h), aber dafür waren wir nicht weit genug im Osten und das Wetter blieb ungeeignet für alpine Abenteuer. Also zurück nach Unstad (Westen), Alternativprogramm Surfen.? Die freundlichen Verleiher vor Ort machten das Vorhaben zu einem angenehmen ‚no-brainer‘, allerdings langen sie dafür finanziell auch ordentlich zu. Sie wissen, dass die Leute für das "ich war nördlich des Polarkreis surfen"-Prestige (Neudeutsch: Hashtagtauglichkeit) draufzuzahlen bereit sind. Gesunde wirtschaftliche Konkurrenz fehlt im Winter auch, aber gut, das war es trotzdem wert, schließlich waren wir nördlich des Polarkreises surfen! (25% Schwabenanteil in einer Gruppe ist vielleicht doch zu hoch; ist Knausern ansteckend?)
Die Tage vor und nach der Surferei verbrachten wir wieder auf Campingplätzen, einmal sogar in einem dort gemieteten 4 Personen-Bungalow (mit Kühlschrank – wie praktisch), es gibt nämlich nicht viel Schlimmeres als im Winter bei 1°C und starkem Schneeregen ein nasses Sommerzelt aufzubauen.
Die Heimreise teilten wir noch in 2 Tage, morgens Fähre von Lødingen nach Bognes und Fahrt bis zum Wartehäuschen direkt am E6-highway am Saltfjellet (Südende), einer Art Hochtal bzw. Pass zwischen Bodø und Mo i Rana. Das Wartehäuschen hatten wir bei der Anreise schon entdeckt, es hat einen beheizten Aufenthaltsraum mit zwei Picknickbänken, Toiletten, fließendem (auch warmem) Wasser und es kümmert keine Sau, ob man darin übernachtet. Auf beiden Seiten der Straße gibt es ein paar schöne Gipfel, und so beendeten wir unseren gelungenen Urlaub auf einem immer noch sehr windigen, namenlosen Gipfel unter fast wolkenlosem Himmel und anschließender kilometerlanger Nonstop-Carving-Abfahrt .
Generell: Wechselkurs Daumenregel 10 NOK = 1.1 EUR
Verpflegung: Lebensmittel, vor allem Milch- und Fleischprodukte, sind in Norwegen deutlich teurer als in D/Ö, Stolzbefreite und Studenten können einzelne Posten ihrer Einkaufsliste mit dem ein oder anderen beherzten Sprung in einen Dumpster abhaken. Die Lebensmittelpreise auf den Inseln unterscheiden sich nicht vom Festland. Viele Supermärkte öffnen Mo-Sa, manche sogar Sonn- und Feiertags (teuer).? Alkohol ist so teuer, dass er nicht mehr schmeckt. Wenn möglich unbedingt importieren! Auch eine Einfuhr über die Freigrenze hinaus und Verzollen am Grenzübergang ist ggf. noch attraktiv (z.B. ca. 2€ pro Liter Bier)
Transport: Was Flüge und Leihwagen kosten, hängt stark von Startstadt und Saison ab, am besten selbst suchen. Die Fluglinie SAS bietet stark reduzierte Flugpreise für Studenten unter 26 an. ?Ist man einmal auf den Lofoten, hält sich die Fahrerei in Grenzen, man fährt selten mehr als 100km am Stück, weil man ansonsten einfach zu viele landschaftliche Highlights verpassen würde. Sprit ist nur marginal teurer als in D.? Die Fähre Bodø – Moskenes dauert ca. 3 Stunden, kostet für Auto plus Fahrer ca. 700NOK, Mitfahrer ca. 200 NOK. ?Lødingen – Bognes schlägt mit 200NOK für Auto plus Fahrer und 70 für Mitfahrer zu Buche dauert eine gute Stunde und ist dem Seegang weniger stark ausgeliefert. Die Kotztüten sind in allen Schiffen der Fährgesellschaft gratis (aber nicht umsonst).
Den Norske Turistforening – DNT: Das Pendant zum Alpenverein. Unterhält Hütten, die meisten davon Selbstversorger. Die Preise sind sehr fair, generell zahlt man als Student für vieles ungefähr die Hälfte (eingeklammerte Werte). Die Jahresmitgliedschaft (Mindestdauer) kostet ~600 (320) NOK. ?Wir waren auf 2 der Hütten, die jeweils hervorragend mit Gasherd, Holzofen (+fertiges Holz) ausgestattet waren. Wasser muss geholt bzw. geschmolzen werden. Die Hütten können nicht reserviert werden und werden bei Ankunft bar oder nachträglich per Überweisung (nur norwegische Banken) bezahlt. Die Toiletten (Plumps) befinden sich nicht in den Hauptgebäuden. Wir hatten nie auch nur annähernd Platzprobleme, sie werden im Winter anscheinend sehr wenig genutzt.
Selfjordstua: Eignet sich gut, wenn man mit der späten Fähre auf Moskenes ankommt. Vom Parkplatz in 5 min Gehzeit (30-60min wenn die Straße nicht geräumt ist) ohne Höhenunterschied erreichbar. Das Gelände war bei uns schneefrei, hat aber im Hochwinter durchaus was zu bieten. Ca. 10 Betten in 2 Hütten.? Übernachtung 300 NOK (150), Zelten incl. Mitbenutzung 150 NOK.
Nøkksetra: Super Hütte in wunderschöner alpiner Lage, etwa eine Stunde Zustieg, bei widrigen Verhältnissen nicht ganz leicht zu finden. Zwei Dreibettzimmer plus Matratzenlager mit zehn +X Plätzen im Dachgeschoss. Ein paar Genusstouren und überwiegend steiles Gelände sind direkt zugänglich.? Übernachtung 300 NOK (150), Zelten incl. Mitbenutzung 150 NOK. Weitere interessante Unterkünfte sind die Trollfjordhytta (20km lawinenexponierter Zustieg, oder per Schiff durch den Trollfjord; fast ausschließlich sehr steiles Gelände) und die Snytindhytta (laut Karte schöne Tourenberge im Umkreis). Nach Osten hin nimmt die Anzahl an Hütten kontinuierlich zu, da sind sicherlich ein paar Schätze dabei. Weitere Infos dazu auf der offiziellen Tourenseite des DNT (In der Karte für mehr Infos Hütten/Touren anklicken).
Camping: Das berühmte Jedermannsrecht erlaubt wildes Campieren, solange man sich nicht auf landwirtschaftlichem Gelände und mind. 200m vom nächsten Gebäude entfernt aufhält. Bei gutem Willen und evtl. vorheriger Absprache muss man es mit diesen Einschränkungen aber nicht so genau nehmen. Müll mitnehmen und Verdautes vergraben ist Ehrensache. ?Die größeren Campingplätze auf den Lofoten, z.B. der und der sind geöffnet, rechnen im Winter aber nicht mit zeltenden Gästen. Diese drei haben uns aber – meist ungefragt – die Küchen und Aufenthaltsräume, sowie Heizlüfter zur Verfügung gestellt, ohne Aufpreis. Oft gibt’s Wifi gratis. An den Osterfeiertagen kann es sinnvoll sein, feste Behausungen rechtzeitig zu reservieren.?Übernachtung: 2 Zelte ca. 250 NOK; kleines Bungalow (4 Betten, ohne Küche, Bad) etwa 400 NOK; Hütten mit Bad, Küche gibt es auch meistens (ab 750 NOK, nicht getestet)
Surfen: Die einzige uns bekannte Möglichkeit zur Ausleihe ist ‚Unstad Arctic Surf‘. Wenn die Wellen am Hausstrand nicht passen, bringen Sie die Ausrüstung ggf. auch an einen anderen Strand (in unserem Falle Flakstad).? Leihgebühren: Wetsuit 400 NOK für 4 Stunden, Surfboard (freie Modellwahl) 400 NOK für 4 Stunden. Kürzere Leihzeiten sind leider nicht möglich, 2 Stunden würden einem (fortgeschrittenen) Anfänger vollends zur totalen Erschöpfung reichen. Duschen danach sind gratis, bei Übernachtung auch Sauna/Wellness (nicht getestet).
Alles in allem sind die Lofoten nach wie vor ein Juwel unter den Skitouren-Reisezielen und selbst auf den bekanntesten Routen gegen die Alpen fast schon lächerlich unterbevölkert. Unberührte Natur, Einsamkeit und Lebenstraum-erfüllende Abfahrten muss man nicht lange suchen. Auch wenn man schon Fotos gesehen hat, fällt es vor allem in den ersten Tagen schwer, beim Anblick der unmöglichen Geländeformen einen würdigen Gesichtsausdruck zu bewahren. Ein klassischer Fall von ‚Muss man gesehen/erlebt haben‘ (die Lofoten, nicht die Gesichter). ?Unser Low-Budget Ansatz ist aufgegangen, wir haben pro Nase für den ganzen Urlaub umgerechnet gut 220 EUR ausgegeben, plus 80 EUR fürs Surfen. Allerdings fehlen in unserem Fall natürlich Ausgaben für die Anreise aus Mitteleuropa und einen Leihwagen vor Ort. Wie jedes Fazit endet auch dieses mit dem Standard gelungener Trips:? Die 10 Tage waren viel zu kurz, um alles Gewollte zu machen, aber wir kommen sicher wieder. Also, nicht zu viel Planen, jeden Schönwettertag nutzen (da gibt es bei uns das meiste zu Verbessern) und nächstes Frühjahr mit Gebrüll zurück auf die spitzigen Wikingerinseln!