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Abenteuer & Reisen

Skitourenurlaub in Albanien und Kosovo

Eine Winterreise durch Albanien und das Kosovo

von Lea Hartl 08.02.2012
Lea Hartl
Lorenzo Rieg
Catherine hat einen ausgestopften Wolf im Wohnzimmer. Alfred musste ihn erschießen, weil er zu oft ums Haus schlich und wohl begriffen hatte, dass Hasen bessere Haken schlagen als Mülltonnen. Catherine hätte gern einen Hund, am besten einen Welpen. Alfred will keinen Hund, weil ihn die Wölfe früher oder später fressen würden. Der Kompromiss ist ein selbstbewusstes Kaninchen, das nicht nach draußen darf und sich sehr gut mit dem ausgestopften Wolf versteht.

Catherine hat einen ausgestopften Wolf im Wohnzimmer. Alfred musste ihn erschießen, weil er zu oft ums Haus schlich und wohl begriffen hatte, dass Hasen bessere Haken schlagen als Mülltonnen. Catherine hätte gern einen Hund, am besten einen Welpen. Alfred will keinen Hund, weil ihn die Wölfe früher oder später fressen würden. Der Kompromiss ist ein selbstbewusstes Kaninchen, das nicht nach draußen darf und sich sehr gut mit dem ausgestopften Wolf versteht.

Catherine war als Kind oft mit ihren Eltern in Italien. Man segelte in der Adria und als Catherine fragte, was das da drüben sei, diese Küste im Osten, so dunkel und ohne freundliche Lichter wie in Italien, da sagte man ihr „Das ist Albanien. Da darf keiner hin.“

2011 haben die Rucksack-Romantiker des Lonely Planet Albanien zum Reiseziel des Jahres erklärt, wegen der Traumstrände, der spannenden Hauptstadt und dem noch vorhandenen Hauch von Abenteuer. Längst sonnen sich Touristen an der Albanischen Riviera, fahren Kajak in türkisblauen Flüssen und wandern durch unberührte Natur. Ausländische Gäste kommen fast ausschließlich im Sommer und vor allem in den traditionell weltoffenen, mediterran geprägten Süden des Landes.

Catherine und Alfred dagegen wohnen im Norden, im Valbona Tal in den Albanischen Alpen. Die Bergwelt hier ist rau, das Klima im Winter hart, die Stromversorgung unzuverlässig. Gent Mati, der von Tirana aus Outdoor Reisen im ganzen Land organisiert, hatte uns die Gegend als Skitourenziel empfohlen und dafür gesorgt, dass wir auf dem Weg nach Valbona nicht verloren gingen. Wir wohnen auf knapp 1000 m Seehöhe in der höchstgelegen Unterkunft im Tal, im Fusha e Gjes, einer Art Holzchalet, das im Sommer Wanderer beherbergt und im Winter normalerweise niemanden. Ein Stück talaufwärts liegt ein winziges verlassenes Dorf aus grauen Steinhäusern, talabwärts ein bewohntes. Es gibt eine Bar, eine Schule, keinen Laden und diverse Betonruinen der Kommunisten. Die Straße wird alle paar Jahre vom Fluss weggespült und ist im Winter ohne geländetaugliches Fahrzeug und Schneeketten kaum zu bewältigen. Catherine kam vor drei Jahren zum ersten Mal hierher.

Sie hatte eine Buchhandlung in Brooklyn neben einem Weingeschäft, oft bekamen sie nach Ladenschluss angebrochene Flaschen geschenkt und Catherine verbrachte die Nächte damit, liebeskranke Buchverkäuferinnen zu trösten. Nach den Anschlägen vom 11. September wurde der Laden für eine Weile zu einer Sammelstelle für Hilfsgüter und Catherine schenkte Kaffee an Feuerwehr und Freiwillige aus. Die vielen Jahre ohne Urlaub, die Geldsorgen, die Hektik der Stadt – irgendwann war alles zu viel und sie nahm sich eine Auszeit. Mit angesammelten Meilen flog sie in das mysteriöse Land ohne Lichter, wo inzwischen jeder hin durfte, der wollte. In den Bergen fand sie Alfred, dessen Familie seit vielen Generationen im Valbona Tal verwurzelt ist und der als einer der ersten mit Touristen wandern ging und eine kleine Pension eröffnete. Er hatte ein junges, schönes Lachen und pechschwarze Augen und Catherine blieb. Sie verschenkte die Buchhandlung und lebt seit zwei Jahren bei ihm in Valbona, manchmal mit Strom, manchmal ohne, aber seit kurzem mit Handynetz. Die Berge schließen das Tal eher ein, als dass sie es umrahmen.

Wir sind im Dunkeln gekommen und die Tage versinken hinter einem Vorhang aus Schneegestöber. Zwischen endlos wabernden Wolken tauchen Bruchstücke der Landschaft auf. Wo wir Himmel vermuteten, ist Berg. Je weniger man sieht, desto länger scheinen die Aufstiege im dichten Wald. Wir sind hier weit entfernt von dem, was in den Skitourenführern der Alpen gern als ideales Skigelände bezeichnet wird. Gut 800 Höhenmeter muss man überwinden, bis man die Baumgrenze und offene Hänge erreicht. Auf den ersten Blick scheinen Felsbänder den Weg nach oben zu versperren. Frustrierend langsam winden wir uns die flachen Kehren einer Forststraße hinauf. Die schweren, nassen Flocken sammeln sich auf Rucksäcken und in Kapuzen und arbeiten sich durch Gore-Tex Membranen.

Die Straße endet und wir steigen durch dichten Laubwald weiter. Viele Bäume tragen Jahreszahlen, 1985, 1986, und die Initialen gelangweilter Soldaten, die auf harten, hungrigen Märschen für einen zunehmend paranoiden Diktator die Grenzen Albaniens bewachten. Die Leute hier sagen, dass Hoxha mit dem Beton seiner Bunker in jedes noch so abgelegene Tal eine Straße hätte bauen können. Gent hat erstaunlich genaue alte Geheimdienstkarten; wo man sich nicht auskannte schraffierte man kunstvoll, es fügt sich ins Gesamtbild. Wir laufen ein Stück talabwärts, klettern über viele Zäune und steigen in ein Seitental auf. Eine knappe Stunde Fußmarsch über Valbona liegt Kukaj, ein kleines Gehöft vor dem ein paar missmutige Pferde im Schnee stehen. Gent hatte uns aufgetragen der Familie hier schöne Grüße zu bestellen und uns auch gesagt, wie man das auf Albanisch macht. Gemerkt hat sich das natürlich niemand und wir verlegen uns auf ratloses Grinsen angesichts skeptisch wirkender Kinder vor dem Haus. Kellie, die kontakfreudige Amerikanerin der Gruppe, bricht beherzt das Eis: „Okay?“ die Kinder nicken, „Yes yes, okay!“

Mutter und Vater tauchen auf und reden auf uns ein, es dauert eine Weile bis wir verstehen, dass man uns herein bittet, zu türkischem Kaffee und frisch gebackenem Brot. In der niedrigen Stube qualmt ein löchriger Holzofen. Die Unterhaltung kommt langsam in Schwung. Vater Dahir, 44, buschiger schwarzer Schnauzer, grau melierte Haare, erklärt wissend: „Montanista.“ Wir bestätigen, „Yes, Montanista Ski!“ Ob wir schon auf dem höchsten Berg der Gegend und des Landes waren? „Jezerca?“ Nein? Dann kann es mit den Montanista ja nicht so weit her sein. Kellie nutzt ihr I-Phone zur Völkerverständigung und zeigt Fotos von ihrer Heimat in Alaska. Als wir aufbrechen präsentieren Fadlum, 13, und Florian, 10, uns ihre Ski: Liebevoll geformte Holzlatten mit einer Bindung aus Klebeband, perfekt zum hinein schlüpfen mit Gummistiefeln. Motiviert marschieren sie vor uns her talaufwärts, stets um unser Wohlbefinden besorgt: „Okay? Tired? Okay?“„Not tired! Okay!“

Irgendwann stoßen die Holzski an ihre Grenzen und wir lassen die Kinder hinter uns. Wir schaffen es bis nach Montenegro, ein windiges, ungemütliches Joch bildet die Grenze. Kellie möchte ein Foto von sich, wie sie auf Montenegrinische Wolken zeigt. In Alaska gibt es keine Skitouren, auf denen man Landesgrenzen überqueren kann. Auf dem Weg zurück begegnen wir im dämmrigen, tief verschneiten Wald Dahir. Er ist mit alter Schrotflinte Made in Russia und seinen zwei Hunden auf Hasenjagd und scheint, abgesehen von seinem Lady Gaga Klingelton, einem öffentlich-rechtlichen Fernsehdrama über Wilderer im 19. Jahrhundert entsprungen zu sein. Wir lassen den Kindern Schokolade und Wachs für ihre Ski da und denken an ausrangiertes Material, das in unseren Kellern verstaubt und hier für viel Freude sorgen würde.

Weitere Fotos in der Gallery

Wintersport im Kosovo

Wie bei solchen Reisen üblich, ist der Tag an dem wir abfahren der erste wirklich sonnige. Wehmütig mit unserem Skigepäck in einen alten Landrover Defender gepfercht machen wir uns auf den Weg ins nächstgelegene Skigebiet: Brezovica im Kosovo. Dank der neuen Autobahn ist man von Tirana in vier Stunden dort. Albanien, ein Land ohne Skigebiete, lagert seine Skikultur in die Nachbarstaaten aus.Brezovica liegt etwa 20 Kilometer Luftlinie östlich von Prizren in einer serbischen Enklave nahe der Mazedonischen Grenze.

Die Lifte und Pisten befinden sich oberhalb des Ortes Strpce im östlichen Teil der Sar Berge, einem lang gezogenen Gebirgszug, der vom Flugzeug aus wie ein gestrandeter Wal im Nebelmeer aussieht. Hätte bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajewo der Schnee nicht gereicht, wäre man nach Brezovica ausgewichen. An den Wochenenden ist das Skigebiet völlig überfüllt. Die ein bis zwei laufenden Sessellifte ächzen unter dem Ansturm. Es gäbe noch weitere ähnlich alte und klapprige Lifte, die laufen aber nicht. Ob sie kaputt sind oder man nur keine Lust hat, sie anzuschalten und mit Personal zu versehen, weiß niemand so genau. Am Einstieg zum Lift herrscht buntes, chaotisches Treiben. Zahlreiche Händler haben auf Obstkisten ihr Sortiment an Keksen, Cola, Bier und Schokolade aufgebaut, daneben kann man verschiedene Gerätschaften zum Rutschen auf Schnee ausleihen – von Ski bis zu selbstgebauten Schlitten und kleinen Plastikbobs. Anfänger kämpfen mit der ungewohnten Ausrüstung und bewegen sich als lange Schlangen hinter Skilehrern bergab oder versuchen es wenig erfolgreich allein. Erstaunlich viele, erstaunlich gute Skifahrer umfahren die Anfängerknäuel großräumig. Kinder versuchen, sich am Liftpersonal vorbei zu schleichen und werden um ein paar Münzen erleichtert, bevor sie hinauf dürfen. Skifahren ist Volkssport.

Vom höchsten Punkt des Skigebiets aus gehen wir den Rücken des Wals entlang, Mazedonien zur linken, Kosovo zur Rechten. Auf der einen Seite locken offene Firn-Hänge, auf der anderen steiles, felsdurchsetztes Gelände. Wir genießen die Sonne, erstaunlich was gute Sicht für das eigene Skikönnen zu tun vermag. Nach dem Krieg dauerte es nicht lang, bis die Skifahrer zurückkehrten. Heute dient Brezovica als Vorbild für den Rest des Landes. Die Kommune um Strpce ist traditionell Serbisch, Albaner kamen immer schon, man verstand sich und versteht sich. Die Albanische Bar schickt hungrige Kunden zur Serbischen Pizzeria nebenan, nie hat es Probleme gegeben und darauf sind alle stolz.

Nur das mit der Privatisierung, das hat noch nicht geklappt. Serbische Lifte auf Kosovarischem Boden, das ist kompliziert, da stockt die Bürokratie. Dabei bräuchte man dringend Investoren die maroden Anlagen zu sanieren, vielleicht sogar zu erweitern. Wo alte Skiverbände und ihre Funktionäre scheitern, kämpfen die Freerider und Newschooler für ihr Skigebiet. Sie haben einen Verein gegründet, Scardus, so hießen ihre Berge im Altertum, und setzen sich für Versöhnung ein, für Umweltschutz und die junge Extremsportszene. Luli ist weder jung, noch besonders extrem. Trotzdem ist er eine Größe bei Scardus und in Brezociva. Er schiebt einen beachtlichen Bauch vor sich her, die Haut ist grau von einem langen Raucherleben, der weiße Bart gelblich. Wir treffen ihn im Braca, einem gemütlichem serbischen Lokal. Scardus lädt die ausländischen Gäste zum Essen ein und Luli schenkt Schnaps nach, die Stimmung ist beflügelt von Schnee und Sonne. Fotos und Videos werden gezeigt und zumindest was den Sport angeht, sprechen alle die gleiche Sprache.

Nach ein paar Tagen müssen wir zurück nach Prishtina, morgen geht der Flieger nach Hause. Luli kommt vorbei als wir den Landrover beladen und wünscht gute Reise. Wir versprechen, am Abend in seinem Lokal in der Stadt zu essen und er springt zufrieden auf seinen Skidoo und heizt mit aufheulendem Zweitakter davon.

Prishtina, Hauptstadt des Kosovo, über eine halbe Million Einwohner, die Hälfte davon jünger als 25, 40% unter der Armutsgrenze lebend, ist eine schöne, hässliche Stadt. Ein paar der Scardus Jungs sind mitgekommen und zeigen uns die Fußgängerzone, im Sommer brummen hier Straßencafes, an jeder Ecke und in jedem zweiten Hinterhof wachsen schicke Bars und Clubs aus dem Beton. Lulis Restaurant, das Tiffanys, ist nicht wie erwartet eine Art Spelunke zum schmierigen Löffel, sondern eine der ersten Adressen Prishtinas mit hochkarätiger, traditioneller Küche. Politiker und Diplomaten kommen zum Socializing, die anwesende Expatgemeinde wundert sich über unsere bunte Gruppe und fragt, was wir hier tun. Die Antwort freut sie, Touristen ohne politische Agenda, die dieses Land und die wunderbaren Leute kennen lernen wollen, das ist es, was der Kosovo braucht. Wir sollen unbedingt Werbung machen! Nach dem Tiffanys beginnt die Nacht in Prishtina. Man kennt unsere Freunde von Scardus in den hiesigen Clubs und da sie matschige Snowboard Klamotten tragen, macht es nichts, dass wir nicht ins Lederjacken- und Stiletto-Bild passen. Mit jeder Stunde nach Mitternacht werden die Örtlichkeiten dunkler, die Musik lauter und basslastiger. In Strobelightblitzen tanzt um uns herum die Zukunft des Kosovo. Ja, natürlich werden wir Werbung machen.

Weitere Fotos aus dem Kosovo in der Gallery

Interessante Links

 

Gent Mati, Outdoor Albania

Catherine und Alfred’s Hotel im Valbona Tal und Informationen über die Region

Brezovica Skigebiet

Fotogalerie

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