Nach zwei Wochen in Nordkanada und Alaska (siehe Teil I unserer Reportage) reisten wir nach SĂŒden in die kanadischen Rocky Mountains. WĂ€re da nicht die unendliche Einsamkeit und die gewaltigen Gletscher, könnte man meinen, man befĂ€nde sich irgendwo im Karwendel oder in der Brenta. Denn die Kulisse erinnert oftmals an die heimischen Alpen, allerdings fehlen die typischen Waldschneisen, Liftanlagen, Siedlungen und Touristen, so dass man hier die Bergwelt noch nahezu in ihrer natĂŒrlichen UrsprĂŒnglichkeit erleben darf.
Nach verregneten zwei Wochen im Norden hatten wir uns die folgenden zwei Wochen Schönwetter in den Rocky Mountains redlich verdient. Wir starteten unsere Reise durch den âSĂŒdenâ am berĂŒhmten Icefields Parkway. Beiderseits dieser StraĂe kann man gigantische Gletscher bestaunen, auch wenn die Eisgiganten sichtliche MasseeinbuĂen durch den Klimawandel hinnehmen mussten. Und noch immer sind die AusmaĂe der EisflĂ€chen, die auf dieser geographischen Breite bis in Höhen von 2000 Meter Höhe vorstoĂen, Ă€uĂerst beeindruckend.
Der Columbia Gletscher
Am mĂ€chtigsten ist das weltbekannte Columbia Icefield, das NĂ€hrgebiet acht riesiger Gletscher, das am Ende des Icefields Parkway liegt. Einen dieser Gletscher, den Athabasca-Gletscher, kann man in wenigen Gehminuten vom Highway aus erreichen â oder man kann mit Hilfe eines âSnowcoachesâ direkt auf den Gletscher fahren, ein Angebot, das die Masse der Touristen eifrig annimmt. So mancher Extremhalbschuhwanderer lĂ€sst sich nicht davon abhalten fĂŒr diese Fahrt sogar seinen ĂŒberdimensionalen, vermutlich nie zum Einsatz kommenden Eispickel mitzunehmen â aber der Pickel sieht zumindest auf dem Foto abenteuerlich aus. Aufgrund des enormen Rummels empfiehlt es sich, erst abends ans Ende der Gletscherzunge zu gehen, um entspannt und ohne Eisfahrzeuge einen Blick auf die gigantischen Eismassen zu werfen. Der dramatische RĂŒckzug des Gletschers im letzten Jahrhundert ist erschreckend, und der RĂŒckzug ist durch zahlreiche Jahresmarkierungen auf dem Weg zur Zunge dokumentiert.
Es lohnt sich, in der Region ein wenig Zeit zu verbringen und sowohl den bekannten Wilcox Pass Trail (Aussicht auf den Athabasca Glacier) und den Parker Ridge Trail anzugehen. Kaum ist man nĂ€mlich einige Minuten vom Highway und den Viewing Points entfernt, kann man die gewaltigen Gletscher und die herrliche Kulisse selbst in der Hauptsaison nahezu alleine genieĂen.
Auf dem Icefields Parkway finden sich aber auch noch zahlreiche andere kleine Touren, welche in wenigen Stunden zu herrlichen blauen Gebirgsseen, traumhaften Gipfeln und gigantischen Gletschern fĂŒhren. Auch hier findet man schnell seine Ruhe und Einsamkeit, sobald man den Hauptaussichtspunkt am StraĂenrand verlĂ€sst.
Die nĂ€chsten Tage verbrachten wir in der Gegend um den bekannten Skiort Lake Louise, wo auch wirklich jeder Reisebus, der durch die kanadischen Rockies fĂ€hrt, hĂ€lt. Ob man wirklich von einem âOrtâ sprechen kann, muss man selbst entscheiden: AuĂer einem riesigen Parkplatz mit diversen VersorgungsgeschĂ€ften, einem Visitors Center inklusive Tankstelle und mehreren Touristenbunkern gibt es dort nĂ€mlich nichts zu sehen.
Der Lake Louise selbst wird durch einen riesigen, schlossĂ€hnlichen Hotelkomplex aus dem Jahre 1890 dominiert. Der See besticht durch seine wunderschöne tĂŒrkise Farbe und die am Ende des Sees liegende Eiswand, die man ĂŒber den Plain of the Six Glaciers schnell zu FuĂ erreichen kann. Noch viel schöner ist der Blick auf den See vom Gipfel des Fairview Mountain.
Ein kurzer Abstecher zum Morain Lake im Valley of the Ten Peaks, wo sich auch das legendĂ€re 3/4-Couloir befindet, ist ein absolutes Muss. Abends ist es ruhig am sonst von Touristen ĂŒberlaufenen See und die vielen Gipfel, die sich kettenĂ€hnlich um den See reihen, wirken im Abendlicht besonders schön.