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Abenteuer & Reisen

Freeski Mountaineering in der Mongolei

Expedition in die Tavan Bogd Berge

von Stephan Skrobar • 09.01.2016
Ich trage euer Gepäck ins Basecamp, wenn ihr mir ein Kompliment zu meinem Haarschnitt macht.

Ich trage euer Gepäck ins Basecamp, wenn ihr mir ein Kompliment zu meinem Haarschnitt macht.

Zlu Haller / www.chalkjunkie.at
Uka, der normalerweise entspannte, stets grinsende Koch im Basislager tauschte besorgte Blicke mit Tsogo, unserem mongolischen Übersetzer aus. Das Küchenzelt war kurz davor dem starken Wind nachzugeben. Das Mädelszelt hatte seinen Geist schon vor ein paar Stunden aufgegeben. Nun lag es an uns, die anderen Zelte so schnell wie möglich mit zusätzlichen Seilen und eilig aus dem frisch gefallenen Schnee ausgegrabenen Steinen zu sichern.

Es war Mitte Mai 2013 und Halbzeit unserer Expedition in das Massiv der Tavan Bogd Berge der Mongolei. Es stürmte und schneite, gefühlsmäßig hatten wir jeden Kontakt zur Außenwelt verloren. Es war kälter, windiger und eisiger als befürchtet, doch bei klarem Wetter zeigte sich die Gegend beeindruckender und weitläufiger als erwartet, meist unter einem endlos strahlenden, blauen Himmel.

Wir waren in dieses abgelegene Eck des Altaigebirges gekommen um spannende Lines mit Ski zu befahren und so nebenher ein paar der 4,000 Meter Gipfel mitzunehmen. Melissa Presslaber, eine der besten Big Mountain Freeriderinnen Österreichs, hatte die Idee zu diesem Trip in die Mongolei und stellte ein Team aus ähnlich ambitionierten Skibergsteigern zusammen. Liz Kristoferitsch ist Österreichs erfolgreichste Freeride Snowboarderin, Michi Mayrhofer ein umtriebiger Contestfahrer, Fotograf Zlu Haller eine Innsbrucker Boulderlegende, Tom Andrillon erfahrener Filmemacher aus Frankreich und ich, Stephan Skrobar, leite ein Freeride Center in Österreich.

Die Vorbereitung kostete Zeit, Geld und Nerven; und war doch Teil der gesamten Erfahrung. Es galt Visa und Border Permits zu organisieren, Impfungen aufzufrischen, Sponsoren anzubetteln, Rettungsmethoden zu wiederholen und letztlich unsere Ausrüstung in Taschen unterzubringen, die Fluglinien und deren Personal nicht in Wutausbrüche treiben würde. Letzteres ist uns leider kläglich misslungen.

Die finalen logistischen Schritte wurden in Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei, erledigt. Mongolia Expeditions war unser Partner fĂĽr Transport und Verpflegung einerseits, fĂĽr den so wichtigen Kontakt zur einheimischen Kultur und Lebensphilosophie andererseits.

Olgii ist eine Kleinstadt im Bayan Olgii Aimag am westlichen Ende der Mongolei in der wir Zeit vor und nach unserem Ausflug in die Berge verbrachten. Olgii strahlt eine entspannte Atmosphäre aus, eine Stadt in der Kühe und die raren Verkehrsampeln in gleichmütiger Kohabitation leben und die Sonne den Abendhimmel in tiefes Magenta färbt. Hier begannen wir die letzte Etappe unserer Reise gen Westen, in die Berge der Tavan Bogd.

Es dauerte eine Tagesreise durch die Steppe, in einem dieser unzerstörbaren russischen Minivans die für Straßen gebaut sind wo es keine Straßen mehr gibt, bis wir das Ende des Fahrbaren erreichten. Die erste Nacht im Zelt hing jeder seinen Gedanken nach, die zumeist um die einbrechende Kälte und was für Tiere sich jenseits der Zeltwand herumtrieben kreisten. Wildpferde, Schafe, Yaks, Wölfe, Bären. Kamele transportierten schließlich unsere Ausrüstung ins Basislager, während wir mit meist offenen Mäulern das erste Mal vor den Bergen der Tavan Bogd Range standen. Alles war größer, weiter, kälter und windiger als erwartet.

Die Vorbereitung auf diesen Teil der Welt gestaltete sich schwierig. Literatur gab es so gut wie keine, unsere einzige Orientierungshilfe war ein grobkörniger Ausdruck einer russischen Militärkarte aus dem Jahr 1969. Wir mussten uns auf unser Einschätzungsvermögen und den täglichen Wetterbericht via Satellit aus Innsbruck verlassen. Die Schneebedingungen waren bissiger als erhofft, die exponierte Lage und die strengen Winde hatten dem Schneedeckenaufbau zugesetzt. Das Skifahren war nicht wirklich lustig.

Das Base Camp lag semigeschützt hinter der Moräne des massiven Potanin Gletscher auf knapp 3100 Metern. Das Leben im Basislager drehte sich primär um die Anzahl der zu tragenden Daunenschichten zur Kältebekämpfung, genug Pferdefleisch zu essen und Diskussionen um die Eispanzer, die von jedem Berg entgegenglänzten. Zumindest letzteres konnten die späteren Schneestürme ansatzweise entschärfen.

Michi findet: so schlecht ist der Schnee gar nicht.

Michi findet: so schlecht ist der Schnee gar nicht.

Zlu Haller / www.chalkjunkie.at

Unser erstes Erkundungsziel lag am Ende eines langen Weges über den Potanin. Am Gipfel des Nairamdal teilen sich die Mongolei, China und Russland die Grenze und das ist auch schon das spektakulärste an dem Berg. Vielleicht noch, dass die Aussicht beeindruckend ist. China links, Russland rechts, das war schon cool.

Es war Zeit unseren eigentlichen Vorsatz anzugehen, das abfahrtsorientierte Freeski Mountaineering, also die Berge nach interessanten Rinnen und imponierenden Hängen abzusuchen. Wir begannen mit ganz offensichtlichen aber dennoch faszinierenden Colouirs am Burgit, dem Berg gegenüber des Basislagers. Weiter am Naran, einem verspielten Knappviertausender der zwischen den zwei großen Gletschern Potanin und Alexander herumsteht. Manchmal waren wir einzeln, manchmal in kleinen Teams unterwegs. Dadurch hat sich die Gewissheit, weit weg jeglicher Zivilisation und möglicher Hilfe zu sein verstärkt, und sich die Notwendigkeit höchster Konzentration und das allgemeine Erlebnis intensiviert.

Nach einer Woche hämmerten zwei Schneestürme durchs Basislager. Wir übten Krisenmanagement, diskutierten Wetterprognosen, verlegten unser Lager in ein widerstandsfähiges Ger – ein traditionelles mongolisches Zelt, spielten Karten oder verkrochen uns in die Schlafsäcke.

Als sich die Wolken verzogen hatten, war es noch kälter geworden, die Schneedecke höher und vom Wind unangenehm umgewandelt. Stoisch zogen wir unsere Spuren in die riesigen Nordhänge, die beeindruckend aussahen, aber weit weg von klassischem Soulskiing waren. Am letzten Tag schließlich schälten wir uns zeitig aus den Zelten um endlich das beeindruckende Khuiten North East Face zu befahren. Khuiten ist der höchste Berg der Mongolei, und der Bericht versprach kaltes, windiges aber niederschlagsfreies Wetter. Dem war nicht so. Als wir nach sieben Stunden den Gipfelgrat erreichten, schnalzte uns ein Schneesturm die Gipfel- und Abfahrtsfantasien aus dem Gesicht. Wir taten, was allgemein als „vernünftig" gilt und drehten um, auch wenn es in diesem Moment frustrierend geschmerzt hat.

Wir kehrten zurück ins Basislager und in weiterer Folge nach Olgii mit zwiespältigen Gefühlen der Erfolglosigkeit. Aber natürlich war es kein Misserfolg. Sondern ein unglaubliches Abenteuer in einem großartigen Land.

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